Ergänzend zu dem auf Wirtschaft und Gesellschaft erschienenen Beitrag über die rentenpolitischen Vorschläge der SPD mit Blick zurück auf die Rentenniveaus seit den 70er Jahren bis heute und dem Beitrag über die Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung präsentieren wir hier die komplette Übersicht der Rentenniveaus in den einzelnen OECD-Ländern aus der OECD-Studie, Pensions at a Glance 2011, Retirement-Income Systems in OECD and G20 Countries, die auch der vom IMK vorgestellten Analyse, Auf dem Weg in die Altersarmut, zugrundeliegt. Neben den einzelnen OECD-Ländern und dem OECD-Durchschnitt bilden wir auch den Durchschnitt der 27 EU-Länder ab, deren geographische Nähe, besser vergleichbare Einkommensniveaus, demographische Entwicklung, ordnungspolitischer und institutioneller Rahmen eine wichtige Orientierungsgröße zur Einschätzung eines möglichen Rentenniveaus in Deutschland abgeben. Auch ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt: Deutschland kann und muss sich ein höheres Rentenniveau leisten.
Deutschland ist umzingelt von Ländern mit deutlich höheren Rentenniveaus
Die Tabelle der OECD unterscheidet zwischen “Gross pension replacement rate” und “Net pension replacement rate” (Quelle: Pensions at a Glance 2011, Retirement-Income Systems in OECD and G20 Countries, S. 129).
“Gross replacement rate” steht für die Bruttoersatzrate; diese gibt an, wieviel Rente gemessen am individuellen Durchschnittsbruttoverdienst ein Rentner nach der jeweiligen nationalen “Norm-Lebensarbeitszeit” vom 20. Lebensjahr bis zur Regelaltersgrenze erhält. Laut IMK entspricht diese Bruttoersatzrate “im Prinzip dem früheren deutschen Bruttorentenniveau” (vgl. IMK Report 73, September 2012, S. 2; zur genaueren Definition und Berechnungsmethode vgl. Pensions at a Glance 2011, Retirement-Income Systems in OECD and G20 Countries, S. 117 u. 115).
“Net pension replacement rate” steht für Nettoersatzrate; diese gibt an, wieviel Rente gemessen am individuellen Nettodurchschnittseinkommen ein Rentner nach der jeweiligen nationalen “Norm-Lebensarbeitszeit” vom 20. Lebensjahr bis zur Regelaltersgrenze erhält. Laut IMK entspricht diese Nettoersatzrate dem heutigen Nettorentenniveau (vgl. IMK, S. 2 und OECD, S. 124). “Beim Nettorentenniveau werden die jeweils anfallenden Sozialbeiträge – sowohl bei den Einkommen als auch den Renten – abgezogen. Dieses Sicherungsniveau vor Steuern, das heute als amtliche Definition für das Rentenniveau dient, ist allerdings nach oben verzerrt, weil es unterstellt, dass alle Arbeitnehmer private Vorsorge betreiben und damit das Nettoentgelt reduziert wird.” (IMK, S. 2)
Es sticht heraus, dass Nachbarländer wie Österreich, Dänemark, Luxemburg und die Niederlande mit einer Nettoersatzrate von zum Teil weit über 90 Prozent, deutlich über dem deutschen Nettorentenniveau (56 Prozent) liegen. Das gleiche gilt im Falle Österreichs, Dänemarks, Luxemburgs und der Niederlande auch für die Bruttoersatzrate. Auch in Frankreich liegen das Brutto- wie das Nettorentenniveau höher als in Deutschland, wenn auch niedriger als der OECD-Durchschnitt und als der EU-27-Durchschnitt.
Die Frage liegt nahe, warum sich diese Länder mit vergleichbaren Einkommensniveaus, die ebenso wie Deutschland im globalen Wettbewerb stehen und auch eine vergleichbare demographische Entwicklung aufweisen, sich höhere Rentenniveaus leisten, Deutschland aber seit Jahren darauf zielt, das Rentenniveau zu senken – und damit nicht zuletzt auch die anderen Länder unter Druck setzt, soziale Errungenschaften und Standards zur Disposition zu stellen.
Liegt es nicht ebenso nahe, dass solche Länder Mahnungen an die deutsche Politik richten müssten – so wie Deutschland jetzt ganz unverhohlen meint, anderen Ländern in der Eurozone die Agenda 2010 verordnen zu dürfen, anstatt diese für Deutschland grundsätzlich in Frage zu stellen – was auch der SPD-Spitze bis heute nicht in den Sinn kommt? Nicht nur die bisher schon durchgesetze Absenkung des deutschen Rentenniveaus – das vor den Renten”reformen” eine vergleichbare Höhe mit den Nachbarländern aufwies – sprechen dafür, sondern auch die internationalen Vergleichszahlen der OECD.
Niedrigverdiener in Deutschland am schlechtesten gestellt
Noch ungünstiger fällt das Rentenniveau in Deutschland für Menschen mit niedrigem Einkommen aus. Zieht man wiederum die Vergleichzahlen der OECD heran, die für Menschen mit niedrigem Verdienst ein Einkommen von fünzig Prozent des Durchschnittsverdienstes unterstellt, steht Deutschland beim Bruttorentenniveau an letzter und beim Nettorentenniveau an vorletzter Stelle.
Auch hier zeigen die oben für den internationalen Vergleich der Rentenniveaus für Menschen mit durchschnittlichem Verdienst herangezogenen Nachbarländer, dass ein deutlich höheres Rentenniveau auch in Deutschland möglich ist – und möglich sein muss: Denn es wird – wie bei der deutschen Lohnentwicklung – deutlich, dass es Deutschland ist, das über seine unsoziale und ökonomisch unsinnige Politik Wettbewerbsdruck auf andere Länder ausübt und darüber auch deren Sozialsysteme in Frage stellt. Das ist spätestens seit der ausgebrochenen Eurokrise offensichtlich.
Andere Euroländer sollten ihrerseits Druck auf Deutschland ausüben
Da sich die deutsche Bundesregierung in diesem Punkt vollkommen uneinsichtig zeigt bzw. blind stellt, und auch die größte Oppositionspartei, die SPD, sich weigert, diesem Problem zu Leibe zu rücken und sich und der Bevölkerung einzugestehen, dass auch die Eurokrise das Scheitern der rot-grünen “Reformpolitik” offenbart, kann eine Trendumkehr wohl nur gelingen, wenn die anderen europäischen Staaten, zumal die der Eurozone, Deutschland massiv unter Druck setzen und ihre Wirtschafts- und Sozialsysteme dadurch versuchen zu retten und sich nicht länger, wie es derzeit insbesondere in der Eurozone um sich greift, sich deutschen Sozialabbau und deutsches Lohndumping oktroyieren lassen.
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