Deutschlandfunk-Nachrichten zur Einkommensentwicklung irreführend

“Viele Bundesbürger werden in diesem Jahr voraussichtlich weniger Einkommen zur Verfügung haben als 2012. Das Statistische Bundesamt teilte in Wiesbaden mit, für 2013 rechne man mit einem Reallohnverlust. Denn die Verbraucherpreise stiegen im Schnitt deutlicher als die Einkommen. Danach lag die Inflationsrate in den ersten neun Monaten des Jahres bei 1,6 Prozent, die Löhne wuchsen aber nur um 1,4 Prozent”, berichtet der Deutschlandfunk heute in seinen Nachrichten über die Meldung des Statistischen Bundesamts zur Reallohnentwicklung, die wir auch bereits ausführlich aufgegriffen haben (kursive Hervorhebung, T.H.). Das aber ist irreführend.

Es suggeriert, dass deutlich steigende Verbraucherpreise für den Reallohnverlust verantwortlich zeichen. Richtig aber ist, dass die Nominallohnentwicklung so schwach ausgefallen ist, dass trotz einer Inflationsrate, die weit unter dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reale Einkommensverluste hinnehmen müssen. Das ist keineswegs eine Spitzfindigkeit oder Bagatelle. Denn die Lohnentwicklung (nominal), genauer das Verhältnis von Lohnentwicklung zur Produktivität, bestimmt wiederum die Preise und damit schließlich auch die Wettbewerbsfähigkeit. Zeichnet eine schwache Nominallohnentwicklung also nicht nur für eine geringe oder sogar negative Reallohnentwicklung verantwortlich, obwohl die Preissteigerung im selben Zeitraum schon weit unter dem Inflationsziel der EZB liegt, ist die Basis für weitere Preissteigerungen, die sich noch weiter unter dem Inflationsziel der EZB bewegen, oder gar für sinkende Preise gelegt. Das aber hat weitreichende, negative Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Würden die Preise erst auf breiter Front zu sinken beginnen (Deflation), ist die Gefahr groß, dass die Verbraucher sich in Erwartung weiter sinkender Preise mit schon geplanten Einkäufen zurückhalten und diese in die Zukunft verschieben. Das würde nicht ohne Folgen für die Wirtschaftsaktivität der Unternehmen bleiben, die sich ihrerseits mit Investitionen zurückhalten würden. Selbst aber, wenn die Preise zwar weiter steigen, die Preissteigerungen aber deutlich unter dem Inflationsziel der EZB liegen, untergräbt Deutschland den Zusammenhalt der Europäischen Währungsunion (EWU). Deren ökonomischer Dreh- und Angelpunkt ist die Einhaltung eines gemeinsamen Inflationsziels. Das hat Deutschland schon über viele Jahre seit Beginn der Währungsunion unterlaufen, sich damit unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Handelspartnern innerhalb der EWU verschafft und damit maßgeblich zur Eurkrise beigetragen. Die Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks sollte daher – wie auch deren Wirtschaftsredaktion – auf eine genauere Berichterstattung Wert legen.

Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.

Hintergrund:

Konjunktur/Deutschland/Gewerkschaften/Eurokrise: Reallohnenwicklung bestätigt meine Kritik an Gewerkschaftsvertretern

————————————————————-

Sie können helfen, unseren Leserkreis zu erweitern!

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

————————————————————-


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: