Koalitionsvertrag: Viele Menschen werden auch weiter aus dem Blechnapf fressen müssen…

…weil ihnen der Koalitionsvertrag nicht Rechnung trägt. “Sie geht immer am Vormittag zur Tafel, wenn der Junge noch in der Schule ist…Das ist so peinlich. Das mag ich gar nicht erzählen. Aber wenn dann mein Neffe kam und der war 8 Wochen hier, weil die Tagesmutter hat ein drittes Kind bekommen und dann war er drei Wochen hier zum essen und dann habe ich ganz oft Pfannkuchen gemacht. Das mögen die gerne und das ist billig. Und bei Pfannkuchen, weiß ich halt, dass es günstig ist und dass er es mag, und dann gab es jedes zweite Mal Pfannkuchen…” Sätze aus dem gestern im Deutschlandfunk gesendeten Dossier “Wer einmal aus dem Blechnapf frisst, Über Kinderarmut in Deutschland”, von Dorothea Brummerloh. Wenn es nach dem Koalitionsvertrag geht, werden viele Menschen in Deutschland auch weiterhin aus dem Blechnapf fressen.

Gibt man das Wort Armut in den Suchmodus des Koalitionsvertrags ein, findet es sich auf den 185 Seiten genau zehn Mal. Zum Vergleich: Wirtschaft hat 273 Treffer. Jene im Dossier angesprochene, oben zitierte Armut aber ist gar nicht Thema. Denn wenn im Koalitionsvertrag von Armut die Rede ist, und das ist sie noch dazu nur höchst unverbindlich und oberflächlich, ist es diese: Altersarmut, Bildungsarmut, Armut und Krankheit in Entwicklungsländern, Armutswanderung innerhalb der EU. Alles wichtige Themenfelder. Die verzweifelte Armut, die das Dossier des Deutschlandfunks so lebensnah einfängt und wiedergibt, und die jener im Koalitionsvertrag angesprochenen Armut häufig zugrunde liegt, wird aber überhaupt nicht thematisiert, erst recht wird ihr nicht auf den Grund gegangen. Und auch für die Armut, die so im Koalitionsvertrag angesprochen wird, haben Union und SPD nur Allgemeinplätze, Schönfärberei und hohle Phrasen übrig. Das klingt dann so: “Sie (die sozialen Sicherungssysteme) leisten Vorsorge, sichern Menschen mit Benachteiligungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, schützen vor Armut und sind Ausdruck des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.” Was dazu wohl die Menschen sagen, die von Hartz IV leben müssen und von diesem System drangsaliert und gedemütigt werden. Oder die Rentner, die jetzt schon nicht von ihrer Rente leben können. Was halten die wohl von diesem Satz, der sich unmittelbar an den oben zitierten anschließt: “Die Erfolgsgeschichte der steigenden Beteiligung Älterer am Erwerbsleben in Folge der Rentenreformen wollen wir fortschreiben.” Geht´s noch zynischer! Dass Sozialdemokraten so etwas unterschrieben haben und dafür auch noch werben! Oder Sätze wie dieser: “Die Koalition will den Kampf gegen Bildungsarmut fortsetzen und intensivieren.” Diese Oberfläche verlässt der Koalitionsvertrag an keiner Stelle.

“So sitzt die kleine Rest-Familie in der Hartz- IV-Falle – mit allen Konsequenzen: Das Geld reicht hinten und vorne nicht…”, heißt es an anderer Stelle im Dossier von Dorothea Brummerloh. Diese Not, die die Politik per Gesetz geschaffen hat, ist kein Thema im Koalitionsvertrag. Kein Thema. Es ist rundweg ein asozialer Koalitionsvertrag.

Der SPD-Chef wirbt auf seiner facebook-Seite mit den Stimmen von Interessenvertretern, die offensichtlich nur ihre eigene Klientel im Blick haben. Zur Vergrößerung auf Bild klicken.

Vor diesem Hintergrund ist es zum einen nur konsequent, dass der SPD-Chef sich auf “Betriebsräte, Personalräte und Schwerbehindertenvertreter aus vielen großen Betrieben und Verwaltungen in ganz Deutschland” berufen muss, die ihr Ja zum Koalitionsvertrag erklärt haben. Zum anderen sollten genau die sich schämen, wirklich schämen, offensichtlich nur auf ihre eigene Klientel zu gucken und nicht die Gesellschaft insgesamt und die Ärmsten der Armen im Blick zu haben. Denen bleibt jetzt nur noch die Hoffnung, dass die SPD-Basis sich nicht von ihrer Führung hinters Licht führen lässt und Nein zum Koalitionsvertrag sagt.

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