SPD: 23 Prozent (-2,7 Prozent-Punkte gegenüber Bundestagswahlergebnis); CDU/CSU: 42% (+0,5% Prozent-Punkte gegenüber Bundestagswahlergebnis). So das heute präsentierte Umfrageergebnis von Forsa. Das Institut steht allerdings im Verdacht, die SPD regelmäßig zu schlecht wegkommen zu lassen. Aber: Außer Allensbach sehen auch alle anderen Institute die SPD schlechter als zur Bundestagswahl. Und das Bundestagswahlergebnis war ja nun wahrlich kein Wahlsieg. Meine These: Die SPD kann die Menschen immer noch nicht von einem Abschied vom Abschied sozialdemokratischer Politik (Agenda 2010) überzeugen. Warum nicht? Weil sie sich nie davon verabschiedet hat.
Der nicht existenzsichernde Mindestlohn und dessen zahllose Ausnahmen sind völlig ungeeignet, um der SPD Glaubwürdigkeit bei ihrer (ehemals) traditionellen Wählerklientel zurückzugeben. Dasselbe gilt für die Rentenpolitik und andere politische Feigenblätter. Die SPD hat immer noch kein klares sozialdemokratisches Profil zurückgewinnen können. Sie lässt breite Wählerschichten mit sich allein. Nicht nur in Deutschland, auch in Europa. Der SPD ist es bis heute nicht gelungen, ein überzeugendes wirtschafts- und sozialpolitisches Profil zu entwickeln. Sie redet den Arbeitsmarkt schön, hat kein Rezept für die Eurokrise und stößt haushalts- und finanzpolitisch ins selbe Horn (“schwarze Null”) wie CDU/CSU. Darüber können auch ein paar “linke” Floskeln und Beteuerungen nicht hinwegtäuschen. Eigenständige Finanz- und Wirtschaftspolitik zu denken geht nun einmal nicht Händchen haltend mit Schäuble. Für wie blöd hält die SPD ihre WählerInnen?
War im vergangenen Jahr auch nur eine hieraus herausragende Rede im Deutschen Bundestag aus der SPD-Fraktion zu hören? Im Gegenteil, SPD-Abgeordnete reden nicht, sie lesen ab. Es müsste nicht Bundestagsrede, sondern Bundestagslesung heißen, wenn es danach ginge. Nicht, dass es in anderen Parteien unbedingt besser darum bestellt wäre. Aber wo bleiben da Tradition und Anspruch – auch an den parteipolitischen Nachwuchs. Das mag kein intelligenter Mensch verfolgen.
Und immer noch fehlt es an Ehrlichkeit: Kein Ton der Reue auch von den selbst ernannten SPD-Linken darüber, dass sie alle, die damals im Bundestag saßen, der jetzt vom Verfassungsgericht als grundgesetzwidrig eingestuften Erbschaftssteuergesetzgebung zugestimmt haben (außer Schily, dem selbst das noch nicht genug war, siehe dazu hier). Wie schon bei der Teilprivatisierung der Rente und wie schon bei Hartz IV (siehe dazu hier und hier).
Meine These: Der SPD fehlt immer noch das, was Merkel in der Energiepolitik – aus welchen Gründen auch immer – nach Fukushima bewerkstelligt hat. Das Fukushima der SPD jährt sich dieses Jahr zum zehnten Mal: Hartz IV. Der Ausstieg daraus aber ist kein Thema für die SPD. Genauso wenig wie für die DGB-Gewerkschaften.
So wird das nichts mit einer Kanzlerschaft. Die kommt nur mit einem sozialeren Deutschland und einem sozialeren Europa. Dafür aber müsste die SPD erst einmal wieder selbst sozial werden und eine entsprechend fundierte Wirtschafts- und Sozialpolitik vertreten – und zwar glaubwürdig. Kein einfaches Unterfangen nach mehr als zehn Jahren verfehlter sozialdemokratischer Politik. Keine einfache Aufgabe für 2015.
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