Aufregung über Trump und Hammond: Deutsche Meinungsführer betriebsblind

Die Aufregung in Deutschland ist groß: Der neu gewählte US-Präsident Trump nimmt, noch nicht einmal im Amt, schon die deutschen Exportüberschüsse ins Visier. So auch der britische Finanzminister Hammond. Kann es aber wirklich überraschen, dass gerade die Regierungen der beiden Länder, mit denen Deutschland seine höchsten Handelsüberschüsse erzielt, gegen Deutschland aufbegehren?

Ist es angesichts der weit zurückreichenden deutschen Außenhandelsüberschüsse und der mittlerweile auch über Jahre anhaltenden Kritik aus dem Ausland daran nicht eher überraschend, dass der Kritik möglicherweise nunmehr auch konkrete Gegenmaßnahmen folgen werden (siehe zum deutschen Außenhandelsüberschuss mit den USA zuletzt hier)?

Trump wird in diesem Zusammenhang immer wieder auch in deutschen Medien als “Deal-Maker” charakterisiert, also als jemand, der Politik als Geschäft versteht. Wie schon mit US-Unternehmen, denen Trump mit Vergeltung gedroht hat, sollten sie ihre Produktion ins Ausland verlagern, hat Trump im Interview mit der Bild-Zeitung und der Times wohl auch konkret einem deutschen Unternehmen, BMW, mit Strafzöllen gedroht, sollte es seine Pläne, verstärkt in Mexiko zu produzieren, nicht aufgeben. Gleichzeitig macht Trumps Wahlkampfparole “America first” auch in diesem Zusammenhang immer wieder die Runde. Dahinter steht Trumps Wahlversprechen, zuallerst für Arbeitsplätze in den USA zu sorgen und dafür alles andere hintenanzustellen.

Was aber war die deutsche Politik seit der Agenda 2010 anderes als “deal making” und “Germany first” by SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP – beklatscht von den meisten deutschen Journalisten und Ökonomen? Dieselben Meinungsführer, die sich jetzt über Trump aufregen und ihn als politischen Hinterwäldler vorführen – und dabei selbst äußerst plump und uneinsichtig vorgehen.

Deutschland hat keine Strafzölle erhoben. Das musste es auch nicht, um seine Zuwachsraten im Export weit über die Zuwachsraten der Importe zu heben und so die riesigen Außenhandelsüberschüsse aufzubauen, denen die Regierungen der USA und Großbritanniens jetzt drohen, entgegenzuwirken. Deutsche Unternehmenssteuern wurden massiv gesenkt. Deutsche Arbeitgeber wurden massiv von der Finanzierung der Sozialversicherungen entlastet. Die deutsche Arbeitsmarktgesetzgebung, insbesondere Hartz IV, hat die Macht der Arbeitnehmerseite, individuell und in Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern zu verhandeln, massiv geschwächt und so die allgemeine Lohnentwicklung wie die Tariflohnentwicklung hinter den durch die Entwicklung der Arbeitsproduktivität und das Inflationsziel der EZB vorgegebenen Verteilungsspielraum zurückfallen lassen. Das hat die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit befördert – zulasten anderer Staaten, mit denen Deutschland in Folge dessen seine Leistungsbilanzüberschüsse massiv erhöhte.

Das alles auszublenden zeigt, wie betriebsblind die deutschen Meiungsführer in Politik, Medien und Wissenschaft sind. Sie haben sich total verrannt. Und es ist höchste Zeit, dass ihnen die großen Wirtschaftsmächte Paroli bieten und Deutschland in die Schranken weisen. Hollande hat dies, obwohl Frankreich schwer von der deutschen Politik betroffen ist, nicht geleistet. Auch deswegen muss er jetzt abdanken. Denn die deutsche Politik hat auch das französische Wirtschaftswachstum belastet und ist damit mit verantwortlich für die sehr hohe Arbeitslosigkeit, die in Frankreich viele Menschen in die Arme von Le Pen treibt. Gedankt haben es deutsche Politiker, Journalisten und Wirtschaftswissenschaftler Hollande nicht. Im Gegenteil, sie haben ihn und die französische Wirtschaft weiter kräftig angegriffen und die Schuld auf Frankreich geschoben. So, wie sie jetzt die Schuld in den USA und Großbritannien suchen.

Man muss nicht für Trump sein oder für den Brexit, man muss vor allem nicht gegen den Freihandel sein, den Deutschland mit seinen hohen Außenhandelsüberschüssen seit vielen Jahren zulasten anderer Länder und breiter Bevölkerungsschichten in Deutschland mit einer verantwortungslosen Politik des “Deal making” und “Germany first” ausnutzt, um eine gewisse Sympathie dafür zu hegen, dass mit der deutschen Überheblichkeit und Uneinsichtigkeit jetzt möglicherweise Schluss gemacht wird. Leider scheint es eine Konstante in der jüngeren Geschichte Deutschlands zu sein, dass es nur mit Gewalt zur Umkehr bewegt werden kann – wenn schon nicht zur Vernunft, denn die setzt ja Einsicht voraus, die die Meinungsführer nun schon seit Jahren so schmerzlich vermissen lassen.

Hier abschließend die aktuellsten Belege für diese Uneinsichtigkeit: Spiegel online, “Brexit: Deutsche Politiker verwundert über britische Drohungen“; Spiegel online: “Interview-Analyse: Trump wettet auf das Ende der EU“; Spiegel online: “US-Newsblog: Merkel hat Trump-Interview “mit Interesse gelesen“; nicht minder plump und einseitig auch die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk; einer der geradezu beispielhaft uneinsichtigsten Politiker darunter sicherlich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen; ein Extrem unter den Extremen auch Ulf Poschardt in Die Welt.


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