Hartz IV: Die Auswirkungen von Hartz IV in einem Satz

Es ist doch insgesamt sehr still geworden um Hartz IV. Gewiss in der politischen Debatte ist Hartz IV immer wieder einmal Thema. Auch in der Berichterstattung der Medien. Auch bei uns. Aber der Furor der Gegner ist doch längst verklungen. Fast scheint es, als gebe es Hartz IV gar nicht mehr. Wie präsent Hartz IV aber tatsächlich ist, hat mir erst jüngst ein guter Freund in nur einem Satz vermittelt.

Als ich von ihm, der gerade erst gekündigt worden war, erfuhr, dass er bereits wieder eine neue Stelle habe, gratulierte ich ihm. Er aber antwortete mir nur sehr kurz angebunden: “Notjob, sehr unterbezahlt, etc. – aber besser als Hartz IV.”

Notjob, sehr unterbezahlt, etc. – aber besser als Hartz IV.

Kann man die Auswirkungen von Hartz IV besser auf den Punkt bringen? Ich meine nicht. Der Freund hatte seine letzte Stelle nur für kurze Zeit inne gehabt. Deswegen konnte er auch nur für kurze Zeit wieder in die Arbeitslosenkasse einzahlen. Weil er zuvor selbständig gearbeitet hatte, hatte er also keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Um nicht in Hartz IV zu geraten, war er bereit, jede Stelle, und sei sie auch noch so schlecht bezahlt, anzunehmen.

Konkreter kann man meine ich den Druck, den Hartz IV auf die allgemeine Lohnentwicklung ausübt, nicht formulieren. Hinzu kommen die psychologischen Folgen, die Angst, das Ausgeliefertsein, für die von Hartz IV bedrohten – und das sind ja viel mehr, als registriert, weil sie Hartz IV eben als Bedrohung empfinden und alles tun, um nicht in dieses System hineinzugeraten. Annehmen müssten sie dann ja ohnehin jede Arbeit, unabhängig von der Qualifikation und dem zuvor erhaltenen Gehalt. Dafür müssen sie dann auch noch das bisschen Ersparte auflösen, bevor sie Hartz IV in Anspruch nehmen dürfen. Nein, dann besser gleich einen wie auch immer gearteten Job annehmen und sei er auch noch so unterbezahlt. Nur nicht Hartz IV!

Der Furor über Hartz IV ist dann vielleicht auch gar nicht verschwunden. Er hat sich nur verlagert, von denen, die – meist aus sozialversicherter und intellektuell privilegierter Position – gegen dieses System zufelde zogen, weil sie Hartz IV für sozial unvertretbar und für die gesamtwirtschaftliche und -gesellschaftliche Entwicklung schädlich hielten, hin zu den Betroffenen selbst. Letztere artikulieren ihre Wut allerdings nicht öffentlich. Ihr Furor wird über Umwege öffentlichkeitswirksam, indem die Betroffenen nicht länger zur Wahl gehen oder Parteien wählen, die ihnen ein Ventil für ihre Wut gegen “die da oben” bieten. Und in der Wut schaut der Mensch bekanntlich meistens nicht mehr so genau hin. Es geht erst einmal darum, denjenigen, die ihnen Hartz IV eingebrockt haben, ihren Unmut deutlich zu machen.

Davon kann im wohl günstigsten Fall eine Partei profitieren, die nicht für Hartz IV verantwortlich zeichnet. Das ist im Deutschen Bundestag allein Die Linke. Im wohl schlechtesten Fall profitiert eine Partei wie die AfD davon, die an die niederen Instinkte von Betroffenen appelliert und mal mehr, mal weniger offen die Wut von Betroffenen gegen noch schwächere Glieder der Gesellschaft, Ausländer und Flüchtlinge, kanalisiert. Das heißt nicht, dass alle, die AfD wählen, entsprechend denken. Sie wissen bloß nicht mehr wohin mit ihrer Wut in ihrer Not, die Hartz IV heißt. Längst also ist auch die parlamentarische Demokratie durch Hartz IV gefährdet. Das alles lässt sich aus jenem einen Satz herauslesen.


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