Am Tag der Veröffentlichung des „Nationalen Pakts für Bildung und Schuldenabbau“ war für Außenstehende auch von linker Seite innerhalb der SPD kein Widerspruch wahrnehmbar. Im Gegenteil: Auf der Seite des „Forums Demokratische Linke – Die Linke in der SPD“ war zu lesen: „SPD-Linke begrüßt Steuerkonzept – Das heute vom SPD-Parteivorstand beschlossene Steuerkonzept ist ein großer Schritt in Richtung größerer Gerechtigkeit, zukunftsweisenden Investitionen in die Bildungsinfrastruktur und Sicherstellung staatlicher Handlungsfähigkeit…“
An der Stelle gab sich selbst der Spiegel “linker”: “Trotz der optisch saftigen Steuererhöhung rechnet die SPD gerade einmal mit fünf Milliarden Euro zusätzlichen Einnahmen. Im vergangenen Jahr summierte sich das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer auf rund 160 Milliarden Euro. Der SPD-Zuschlag würde bei der nach der Mehrwertsteuer zweitwichtigsten Einnahmequelle des Staats also gerade einmal zu einem Plus von rund drei Prozent führen. Das ist durchaus an der Grenze zur Placebo-Politik.”
Jetzt aber hat der Bremer Landesverband der SPD, verpackt in einem Antrag für den Bundesparteitag im Dezember, einen Spitzensteuersatz von 52 Prozent gefordert – der „Pakt“ der SPD-Führung sieht einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent vor. Offensichtlich hatte da der Vorsitzende des Forums Demokratische Linke, Björn Böhning, in allzu vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Parteispitze, im Namen des Forums zu voreilig Einigkeit demonstriert.
Kaum meldet sich die Linke in der SPD zu Wort, folgt auch prompt die zu erwartende Reaktion in den einschlägigen Medien: Mit „Genossen im Steuererhöhungsrausch“ macht Spiegel online auf. Das Sprachrohr Steinbrücks jammert: „Alles hätte so schön sein können, so einfach und so bequem. Aber es geht nun mal um die SPD: Und da ist eigentlich nie etwas schön, einfach und bequem.“
Ja, ist es nun der Vorgesetzte dieses Schreiberlings oder er selbst, der sich da die persönliche Betroffenheit, womöglich unter jenen Spitzensteuersatz zu fallen, vom Herzen schreibt bzw. schreiben lässt? Ist der „Pakt“ der Bundesspitze doch ein „ernsthaftes Konzept“, „bewusst so maßvoll gehalten, dass auch ein Peer Steinbrück so gerade noch damit leben kann.“ Und dann das: „Doch jetzt machen die Parteilinken mobil.“
Bedrohlich scheint dem Spiegel-Autor auch dies zu sein: Die Bremer wollen die Abgeltungssteuer wieder in die Einkommenssteuer integrieren, so dass Spitzenverdiener auch hier unter den Spitzensteuersatz fallen. Die von der SPD-Führung beschlossene Anhebung der Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf 30 Prozent reicht ihnen nicht.
Die Welt wiederum berichtet von ähnlichen Forderungen der Parteilinken in Hessen. Der Tenor dabei ist ähnlich wie beim Spiegel: „Das Steuerkonzept der SPD sieht eine kräftige Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor. Dem Partei-Nachwuchs und der linken Hessen-SPD reicht das nicht.“
Schon die 49 Prozent werden als „kräftige Erhöhung“ tituliert. Immerhin weist die Welt aber daraufhin, dass der Spitzensteuersatz auch schon einmal 53 Prozent betragen hat und dann erst unter rot-grün und schwarz-rot auf die jetzt gültigen 42 Prozent abgesenkt wurde. – Die Einkommens- und Vermögenskonzentration ist nicht zuletzt aufgrund dieser Steuersenkung für Spitzenverdiener und anderer steuerlichen Erleichterungen wie der Abgeltungssteuer in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen – der staatliche Handlungsspielraum entsprechend gesunken.
Jeder, der sich eine ausgewogenere Einkommens- und Vermögensverteilung wünscht
und einen größeren staatlichen Handlungsspielraum, um die überbordenden Probleme in Bund, Ländern und Kommunen zu lösen, muss hoffen, dass sich die Parteilinken in der SPD durch die zu erwartende Medienkampagne gegen einen höheren Spitzensteuersatz nicht einschüchtern lassen. Wie laut wohl erst der Aufschrei wäre, würden die Parteilinken nun auch noch die Aufhebung oder zumindest die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den Sozialversicherungen ins Spiel bringen? Vor dem Hintergrund der neuesten Botschaft aus dem Finanzministerium, die Rente mit 69 einführen zu wollen, doch so naheliegend wie die Forderung nach einer Korrektur der Rentenformel und nach einer angemessenen Lohnentwicklung.
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