Der Umgang der deutschen Regierung mit der Krise in der Eurozone zeigt, neben einem fehlenden Verständnis für makroökonomische Zusammenhänge,
politisch vor allem eines: die im Verlauf der Finanzkrise ausgesprochene, aber nie verwirklichte Forderung nach einer stärkeren Regulierung der von Banken, Hedgefonds und anderen Finanzinstituten ausgeübten Spekulation hat sich für die Regierenden erledigt.
“Die Märkte” regieren wieder die Politik. “Die Märkte” müssen wieder “überzeugt”, “beruhigt”, “ihr Vertrauen zurückgewonnen” werden, heißt es allenthalben. Die handfesten Interessen von Finanzinvestoren, Hedgefonds und Banken – verharmlosend “die Märkte” genannt – haben längst wieder die Oberhand über die Politik gewonnen.
Der Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater, spricht es aus: “Den Staats-und Regierungschefs geht es trotz Streitereien mit ihren Stabilisierungsbemühungen ja vor allem darum, Vertrauen bei den internationalen Anlegern auf den Finanzmärkten zu schaffen.”
Auch der Journalismus hat die Brille “der Märkte” längst wieder aufgesetzt – wenn er sie denn je wirklich abgesetzt hatte. So fragt Silvia Engels Ulrich Kater: “Was müssen denn Ihrer Ansicht nach die EU-Staats- und -Regierungschefs auf ihrem Gipfel beschließen, damit sich die Märkte beruhigen?”
Kater: “Nun, es muss ein Arrangement sein, was die Märkte mit dem Euro versöhnt, was deutlich macht, dass die europäischen Länder, die den Euro bilden, auch den notwendigen politischen Zusammenhalt auf die Beine stellen, der in den Augen der Märkte für eine Währungsunion nun einmal notwendig ist.”
Wenn “die Märkte” nicht das bekämen, was sie “fordern”, so Kater weiter, würden “die Märkte” auch weiter ihr Misstrauen zum Ausdruck bringen.
Vielsagend mit Blick auf “die Märkte” auch der Schlussatz von Silvia Engels: “Das waren Einschätzungen von Ulrich Kater. Er ist der Chefvolkswirt der Deka-Bank und wir sprachen mit ihm über seine Einschätzungen, welche Beschlüsse die Märkte vom EU-Gipfel in Brüssel erwarten.”
Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken sieht die Politik ganz richtig im Dienst “der Märkte”, wenn er sagt: “Ich glaube, es zeigt, dass die Politik hier auch an eine gewisse Stabilität glaubt, und das ist ein gutes Signal an die Märkte, denn wenn man jetzt angefangen hätte, das noch auszuweiten, dann hätte das ja auch letztlich an die Märkte das Signal einer gewissen Unsicherheit gegeben.”
Auffallend ist dabei auch, wie sehr Bankvolkswirte und andere “Wirtschaftsexperten” wieder die Medien beherrschen, wo es doch um politische Entscheidungen geht. Waren sie inmitten der Finanzkrise erst einmal vor der Öffentlichkeit in Deckung gegangen und verfolgten ihr Geschäft mit der Politik im stillen Kämmerlein des Finanzministeriums oder des Kanzleramtes, haben sie – von der Politik, respektive den Steuerzahlern gerettet! – längst wieder gestärkt und selbstbewusst die öffentliche Bühne für sich gewonnen. Als wäre nichts geschehen – und es ist ja praktisch auch nichts geschehen!
Wie wenig sich geändert hat, zeigt auch die fortbestehende Macht der privaten Rating-Agenturen: Kaum wurde ein neuer Beschluss zur Bewältigung der Krise in der Eurozone von den Regierenden beschlossen, bringt die Herabstufung Irlands in seiner Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Moody´s alles wieder durcheinander. Auch hierin zeigt sich das Versäumnis der Regierenden “die Märkte” und ihre Interessensvertreter stärker zu regulieren.
Nun wäre es ja nur folgerichtig, wenn “die Märkte” denn schon wieder regieren sollen, dass man auch ihre Kriterien erfüllt. “Die Märkte” sind in dieser Hinsicht ganz klar: Sie gucken auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Staaten. Sind Länder in ihrer Wettbewerbsfähigkeit hinter andere zurückgefallen, wird gegen sie spekuliert. Folgerichtig müssten die Regierungen im Interesse einer Stabilisierung der Eurozone schauen, wo denn die Gewinner und Verlierer im Wettbwerb stehen und auf eine Annäherung drängen.
Das aber geschieht gerade nicht. Zentraler Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit sind die Lohnstückkosten. Deutschland, das sich gerade als neuen Wachstumstiger feiert und dabei hohe Außenhandelsüberschüsse gegenüber seinen europäischen Nachbarn auftürmt, ist weiter dabei, seine Lohnstückkosten zu senken und damit Krisenländer wie Griechenland, Irland, Spanien und Portugal weiter unter Druck zu setzen. Nicht zuletzt dürften in den Krisenländern die dort verordneten drastischen Sparprogramme für weitere Einbußen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit sorgen, da sie nicht nur den Konsum, sondern auch die Investitionen bremsen und diese Länder bei der Produktivität weiter zurückfallen lassen.
Eine wirkliche Stabilitätspolitik für die Eurozone müsste daher an zwei Punkten ansetzen:
Erstens: “Die Märkte” - Banken, Hedgefonds, Rating-Agenturen - müssen stärker reguliert werden, um der Spekulation Einhalt zu gebieten. Um den Einsatz der richtigen Instrumente und eine schnelle Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen zu garantieren, könnten die Regierungschefs der Euro-Länder eine Task-Force aus Regierungsvertretern und von der Privatwirtschaft unabhängigen Wirtschaftswissenschaftlern einsetzen, die zu einem festen Termin eine Beschlussfassung erlaubt. Hierzu und zur Erleichterung der Finanzierung besonders angeschlagener Staaten dienen auch die viel diskutierten Eurobonds.
Zweitens: Die Lohnstückkosten- und die zum Teil gravierenden Leistungsbilanzunterschiede, kurzum die Wettbewerbsfähigkeit der Länder in der Eurozone, muss sich wieder annähern. Das geht nur, wenn die Löhne im Verhältnis zur Produktivität in Leistungsbilanzüberschussländern wie Deutschland stärker und in Leistungsbilanzdefizitländern schwächer steigen. Der Lohnentwicklung in Deutschland kommt dabei aufgrund der Versäumnisse der vergangenen Jahre auch im internationalen Vergleich eine zentrale Rolle zu.
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