Estlands Wettbewerbsfähigkeit könnte zum Problem werden (01.01.2011)

Die Lohnstückkosten sind ein zentrales Maß für die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Estland weist – verglichen mit der Entwicklung in den bisherigen 16 Euroländern - die höchste Lohnstückkostenentwicklung in der Eurozone aus.

Graphik: Lohnstückkosten Estlands verglichen mit denen der bisherigen 16 Euroländer

Umso überraschender ist, dass dieser Indikator in den Beiträgen zur Einführung des Euros in Estland keine Erwähnung findet. So liefert die FAZ zwar einen statistischen Überblick über die wirtschaftlichen Ausgangsdaten Estlands, spart die Lohnstückkosten aber aus, genauso wie die Leistungsbilanz.

Alle sind voll des Lobes für die Sparpolitik der estnischen Regierung, allen voran der EU-Währungskommissar Olli Rehn; der sprach laut Spiegel am Freitag in Brüssel von einer “gerechten Belohnung für ein Land, das sich einer soliden Haushaltspolitik verschrieben hat”.

Es wird sich zeigen, ob die Einführung des Euros Estland zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich zum Vorteil gereicht. Zu befürchten ist, dass Estlands geringe Wettbewerbsfähgkeit auf Wachstum und Beschäftigung durchschlägt und sich andere Rahmendaten wie Leistungsbilanz, Haushalt und Schuldenstand ebenfalls verschlechtern, mit den bekannten Folgen an den Finanzmärkten und bei den dortigen Akteuren wie auch bei den Ratingagenturen.

Die Leistungsbilanz Estlands insgesamt war zuletzt zwar positiv, die mit den 16 bisherigen Euroländern und auch den EU 27, mit denen Estland überwiegend Handel betreibt, aber negativ. Die Leistungsbilanz mit den ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion (CIS/GUS) weist einen positiven Saldo auf. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Handel mit Einführung des Euro entwickelt.

Graphik: Leistungsbilanzsalden Estlands

Interessant vor diesem Hintergrund auch, dass die FAZ sich im Überschriftentext dazu hinreißen lässt zu schreiben: “Zur Freude des Volkes kommt am 1. Januar der Euro in das baltische Land.” Nur um dann kleingedruckt im Text darauf hinzuweisen, dass nur “eine hauchdünne Mehrheit” der estnischen Bevölkerung laut Umfragen für die Einführung des Euro ist. Im Spiegel ist dann auch zu lesen: “Viele Politiker in der estnischen Hauptstadt Tallinn spielen die Bedeutung der Euro-Einführung herunter, um den Menschen die verbliebenen Ängste zu nehmen.”


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