Fusion von Landesbanken ist nicht die Lösung (FREITAG 20.05.2009)
Der Bundesfinanzminister will die Landesbanken zur Fusion zwingen,
übersieht dabei aber, dass dieses Modell bereits gescheitert ist.
Die Pleite-Bank, die derzeit von den öffentlich-rechtlichen
Kreditinstituten die größte Sorge bereitet, hat bereits ihre
Fusion hinter sich. Die HSH Nordbank ist
2003 aus dem
Zusammenschluss der Hamburgischen Landesbank
und der Landesbank Schleswig-Holstein hervorgegangen.
Und selbst die vormals Klassenbeste, die Landesbank
Baden-Württemberg (LBBW), ist über ihren Expansionsdrang
in schwierige Fahrwasser geraten. Mit der Übernahme
der Sachsen LB und der Landesbank Rheinland-Pfalz hat sie
sich Risiken und Verluste einverleibt, die schwer zu verdauen sind.
Nicht auszudenken, wenn die jetzige Idee einer einzigen großen
Landesbank schon vor der Finanzmarktkrise verwirklicht worden wäre.
Durchaus vorstellbar jedenfalls, dass die Landesbanken-Vorstände
in ihrem Bestreben, den verrückten Renditevorstellungen
der privaten Geldhäuser nachzueifern, noch viel größeren
Schaden angerichtet hätten. Wegweisend wäre es vielmehr,
die Landesbanken wieder unter strengere öffentliche
Kontrolle zu stellen und sie auf ihre ursprüngliche Aufgabe
zurechtzustutzen: Die regionale Wirtschaft zu fördern.


Sieben auf einen Streich
 
Das Bundesfinanzministerium will die Hilfe des Bundes für die Landesbanken von ihrem
Zusammenschluss abhängig machen. “Steinbrück dringt auf eine rasche Entscheidung und eine
Fusion der sieben Landesbanken”, berichtet dpa. “Eine Hilfe des Bundes, ohne ein
Zusammenschmelzen der Institute wäre nicht vertretbar”, zitiert Reuters den
“SPD-Haushaltsexperten” Carsten Schneider. Widerstand kommt von den Ländern,
die um ihren Einfluss und den Verlust von Arbeitsplätzen fürchten. Eine berechtigte Sorge,
denn was, außer Kostensenkung zu Lasten der Beschäftigten, soll sich hinter der Forderung
des Bundes verbergen, dass sich die Landesbanken “tragfähige Geschäftsmodelle”
verpassen sollen?

Bisher nur heiße Luft bei Bankenregulierung

Steinbrück hat es bis heute versäumt, den Bankensektor in Deutschland stärker zu regulieren.
Er hat auch nichts unternommen, um deutsche Banken daran zu hindern, Geld in Steueroasen
zu transferieren, gegen die er, wie im Fall der Schweiz, lautstark zu Felde zieht.
Steinbrück ist damit das, was man gemeinhin einen Maulhelden nennt.

Jetzt vergeben der Bundesfinanzminister und seine Getreuen eine weitere Chance,
die notwendigen Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise zu ziehen. Die öffentlich-
rechtlichen Kreditinstitute sind ja nicht deswegen in den Strudel der Finanzmarktkrise geraten,
weil sie öffentlich-rechtlich sind und der Staat – wie die neoliberalen Dogmatiker
gebetsmühlenartig wiederholen – nun einmal nichts von der Wirtschaft versteht. Nein,
mit der HSH Nordbank ist die Landesbank am stärksten von der Krise betroffen, die den
Weg der Privatisierung und zur Börse am konsequentesten gegangen ist.

Ein Stern geht unter

Ein Meilenstein auf ihrem Weg zum Kapitalmarkt war dabei die Fusion. Am Tag des Inkrafttretens
des Zusammenschlusses der Landesbank Hamburg mit der Landesbank Schleswig-Holstein
zur HSH Nordbank AG, am 2. Juni 2003, brachte das neu entstandene Kreditinstitut dies
in einer Pressemitteilung klar zum Ausdruck: „Zudem tritt die HSH Nordbank mit dem Anspruch auf,
an den internationalen Finanzmärkten als anerkannter Partner vertreten zu sein.“
Mit welchen krummen Geschäften, verharmlosend „Verbriefungen“ und ähnlich benannt,
die Verantwortlichen dieses Ziel verfolgten, ist mittlerweile bekannt.

In der Pressemitteilung heißt es weiter: „Das ´nordisch blaue´ Logo der HSH Nordbank,
das vom Polarstern geprägt wird, steht für verlässliche Orientierung sowie Fundiertheit
und Geradlinigkeit.“ Der Stern der HSH Nordbank ist aber gesunken, weil sie für ihre
Geschäfte eine gänzlich gegenteilige Geschäftsgrundlage gewählt hat: Um die
„Kapitalmarktfähigkeit“ zu erreichen, das Zauberwort, mit dem der Vorstand der Bank
so ziemlich alles „begründete“, wurden entsprechende Renditeerwartungen in die Welt gesetzt.
Um diese zu erzielen, mussten „verlässliche Orientierung sowie Fundiertheit und Geradlinigkeit“
aufgegeben werden. Stattdessen wurden immer waghalsigere „Produkte“ erfunden,
die gerade die zur Schau gestellten Qualitäten vermissen ließen. Das betraf die Einnahmeseite.
Auf der Ausgabenseite galt es, wie üblich bei Fusionen und Börsengängen,
die Kosten zu senken. „Ziel ist es, binnen dreier Jahre die Ertragskraft um jährlich
150 Millionen Euro zu steigern. Allein 100 Millionen Euro sollen auf die Verringerung
der Kosten entfallen“, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 3. Juni 2003
unter Berufung auf den damaligen Vorstandsvorsitzenden Alexander Stuhlmann.

Die Sparkassen weisen den richtigen Weg

Die Sparkassen, die diesem Irrweg nicht gefolgt sind, stehen heute am besten da.
Jetzt hätte der Finanzminister die Gelegenheit, auch die Landesbanken wieder auf
den Pfad der Tugend zurückzuführen.

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Heinrich Haasis, plädierte
2004 für den Erhalt des “öffentlichen Auftrags”: “Ein Rechtsformwechsel brächte die
Gefahr des Verlustes der dauerhaft gesicherten Konzentration auf die ganzheitlichen
Belange einer Region. Dagegen verbindet die öffentliche Rechtsform Sparkassen und
Landesbanken dauerhaft mit dem Selbstverständnis, aktiv an der Lösung wirtschaftlicher
und sozialer Probleme in den Regionen teilzunehmen.” Er zählte damit zu den wenigen,
die dem eingeschlagenen Privatisierungskurs des öffentlichen Bankensektors kritisch
gegenüberstanden.

Umso mehr verwundert es, dass auch er jetzt als Befürworter von Zusammenschlüssen
zitiert wird. Denn die Schaffung einer einzigen zentralen Landesbank widerspricht ja
gerade einer regionalen Verankerung und lokalen Verbundenheit und damit der
von Haasis eingeforderten aktiven Mitwirkung an der Lösung regionaler wirtschaftlicher
und sozialer Probleme. Vielleicht ist es der Horror vor den Milliardenschulden der Landesbanken
und die Angst der Sparkassen davor, hierfür mit gerade stehen zu müssen, der diesen
Widerspruch erklärt.

Haasis äußert sich gegenüber den Vorschlägen aus dem Bundesfinanzministerium
dann auch zurückhaltend, wenn er verlautbaren lässt, dass “es in der nächsten Zeit
keine konkreten Fusionsgespräche geben” werde. Die Länderinstitute seien zurzeit
“mit sich selbst und mit dem Markt beschäftigt”.

Politik darf sich nicht länger am Markt berauschen

Die Politik darf sich aber nicht darauf beschränken, sich „mit dem Markt zu beschäftigen“.
Dass dies gescheitert ist, zeigt ja gerade die gegenwärtige Finanz-
und Wirtschaftskrise. Ein Beispiel dafür ist, dass der als großer „Experte“ gefeierte
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, noch im Jahr 2006 eine
Werbebroschüre für „Verbriefungen“ verfasst hat, jene Schrottpapiere also, die die
deutschen Banken mit in den Strudel der Finanzmarktkrise gerissen haben. Der Markt als
Rauschmittel benebelt die Sinne, wie andere Drogen auch. Dass Asmussen jetzt, gemeinsam
mit dem Wirtschaftsberater der Kanzlerin, Jens Weidmann, fordern darf, dass die Bundesländer
eine „verbindliche rechtlich belastbare Erklärung darüber abgeben, dass sie
den Konsolidierungsprozess mit Nachdruck voranbringen“, ist gewissermaßen
der Treppenwitz der Finanzmarktkrise.

Verantwortliche Politik muss sich darauf besinnen, die rechtlichen Rahmenbedingungen
für eine funktionierende Wirtschaft, die Wachstum, Beschäftigung und gesellschaftlichem
Wohlstand dient, wieder herzustellen. Hierzu gehört ein starker öffentlicher Bankensektor,
der nicht nur blind wahnwitzigen Renditezielen hinterherläuft, sondern die regionale
Wirtschaft im Blick hat. Die Landesbanken zu erhalten und sie gesetzlich auf diese
Aufgabe zu verpflichten wäre hierfür ein wichtiger Baustein.

In gekürzter Fassung erschienen in “der Freitag” vom 20.05.2009:


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