Gefärbtes Porträt (27.09.2005)
Am 14. September ist in der FTD unter dem Titel „Oskar Lafontaine: Schein und Sein“ ein Porträt von Oskar Lafontaine erschienen.

 

Hierzu habe ich einen Leserbrief an die FTD gesendet. Er setzt sich vor allem mit der Wortwahl der Autoren auseinander. Durch sie erschien mir das dort gezeichnete Bildnis des Herrn Lafontaine doch allzu stark „übermalt“. Die aus meiner Sicht meistens hervorragend redigierten und in guter Weise gekürzten Leserbriefe der FTD ließen diesmal nur einen zwar auch wichtigen Aspekt aus diesem Leserbrief in den Druck gehen; die eigentlich im Mittelpunkt stehende Kritik an der m.E. unsachlichen Wortwahl wurde jedoch komplett ausgeblendet (siehe unten).

 

Hier zunächst der Leserbrief:

 

Gefärbtes Portrait

 

Ich finde ihr Porträt sehr persönlich eingefärbt. Man achte hierzu nur einmal auf die Platzierung ihrer Worte “natürlich”, “angeblich”, “wütend”, “Truppe”, “Kaderpartei” – gibt es irgendeine Partei ohne “Kader”?! -, den Verweis darauf, die meisten Parteimitglieder der Linkspartei seien Rentner – was soll das aussagen, zumal in einer alternden Gesellschaft?-, “den Eindruck vieler Menschen” – wer ist das? Usw.

 

- Ich habe Lafontaine letzte Woche auf dem Gänsemarkt in Hamburg sprechen gehört und seine Rede nicht als “Wettern gegen alle und alles” wahrgenommen. Er hat sich vielmehr vor allem für etwas ausgesprochen: den Erhalt des Sozialstaats und dafür gute und wie ich finde auch aus nüchterner volkswirtschaftlicher Sicht tragfähige Argumente ins Feld geführt. Letzteres ist für das in Deutschland vorherrschende Plädoyer, dass der Abbau des Sozialstaats bzw. die zunehmende Individualisierung sozialer Verantwortung ohne Alternative sei, ja längst nicht mehr notwendig.

 

- In Norwegen hat gerade eine linke Opposition die Wahlen gewonnen. Sie sind dafür gewählt worden, die Investitionen in Gesundheitssystem und Bildungswesen zu steigern und Privatisierungsvorhaben zu stoppen, wie die FTD gestern berichtete. Das könnte uns ja auch nachdenklich stimmen.
Warum suchen die deutschen Medien nicht viel mehr die inhaltliche Auseinandersetzung und fordern von den einzelnen Politikern und Parteien stärker Argumente für oder wider die politischen Konzepte ein und fördern auf diesem Weg eine souveräne Meinungsbildung in der Bevölkerung?

 

Statt grundlegend zu hinterfragen, ist es natürlich viel einfacher in das Horn der persönlichen Vorurteile und vorherrschenden Meinung zu stoßen. So hat Lafontaine ja bereits den von ihnen erwähnten Streit mit der Bild-Zeitung vor Gericht gewonnen, und es ist bekannt – leider nicht bekannt genug -, dass Lafontaine in seiner “großen Villa” einen Drei-Generationen-Haushalt mit Mutter und Schwiegermutter führt.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich besitze kein Parteibuch und pflege auch keine persönliche Freundschaft mit Herrn Lafontaine. Ich finde nur die wirtschaftspolitischen Ziele, die er und seine Partei vertreten, nicht von vornherein schädlich, sondern verstehe sie vielmehr als gesunde Opposition für ein Land, in dem die Meinungsvielfalt droht auszusterben.

 

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Und diesen – in diesem Fall nicht im Zentrum stehenden – Ausschnitt des Kommentars hat die FTD als Leserbrief gedruckt (FTD vom 19.09.2005):

Gesunde Opposition

Ich bin weder Mitglied der Linkspartei noch pflege ich eine Freundschaft mit Herrn Lafontaine. Ich finde aber die wirtschaftspolitischen Ziele, die er vertritt, nicht von vornherein schädlich, sondern verstehe sie als gesunde Opposition für ein Land, in dem die Meinungsvielfalt droht auszusterben.

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Zur Person Lafontaine hier noch ein interessanter Link: Der Psychologe und Psychoanalytiker Arno Gruen äußert sich in einem Interview mit Die Zeit zu Lafontaine und anderen “Nestbeschmutzern”. Ein sehr unvoreingenommener Zugang zur Person. Zum Interview mit Arno Gruen in Die Zeit.


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