Sparen ist die Antwort – aber was war die Frage? (17.05.2010)

Wie ausbleibende Fragen das Sparen alternativlos erscheinen lassen

Sparen, um die Staatshaushalte zu konsolidieren und Schulden abzubauen, wird von den politischen Meinungsführern – und in den meisten Medien – als alternativlos angesehen.

Wer spart setzt einseitig bei den Ausgaben an. Sparen heißt: nicht ausgeben. Ein Staatshaushalt hat aber Ausgaben und Einnahmen. Wer den Blick auf die Staatsausgaben einengt, blendet von vornherein die Einnahmeseite aus. Was aber, wenn die Ursachen steigender Haushaltsdefizite und Verschuldung bei den Staatseinnahmen zu finden sind?

Geradezu exemplarisch für die einseitige, fast ausschließlich auf die Ausgabenseite des Staates gerichtete Sichtweise ist das Interview (“Möglicherweise einen Rasenmäherschnitt über 5 oder 10 Prozent”), das der Deutschlandfunk-Moderator Dirk Müller am 17. Mai 2010 mit dem Landesgruppen-Chef der CSU im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Friedrich, führte.

 

Die Einnahmeseite des Staates wird im späteren Verlauf des Interviews nur mit dem pauschalen Schlagwort “Steuererhöhungen” angesprochen und ist schnell abgehakt. Die am Ende noch kurz diskutierte Finanztransaktionssteuer wird – was ja richtig ist – als Instrument zur Eindämmung der Spekulation genannt; sie wäre aber auch eine nicht zu vernachlässigende staatliche Einnahmequelle.

Steuererhöhungen für Millionäre und Spitzenverdiener werden gar nicht erst ins Gespräch gebracht, ebensowenig wie eine mögliche Steuersenkung für niedrige und mittlere Einkommen – Stichwort: Abschaffung des so genannten Mittelstandsbauches – bei gleichzeitiger Erhöhung des Spitzensteuersatzes und Wiedereinführung einer Vermögenssteuer; die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen bei der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bleibt ebenfalls ausgespart, kurzum: eine Reform für eine gerechtere – weil stärker an der Einkommens- und Vermögenssituation des Einzelnen ansetzende – Steuer- und Abgabenordnung wird als Alternative zum Sparen nicht thematisiert und nachgefragt.

“Müller: Steuererhöhungen hat Roland Koch auch ins Gespräch gebracht. Machen Sie da mit?

Friedrich: Das ist eine ziemlich unsinnige Diskussion. Wir können nicht wochen- und monatelang über Steuersenkungen diskutieren und kaum damit aufhören, über Steuererhöhungen zu reden. Ich halte das für Unfug.”

Das war´s zur Einnahmeseite der Staatsfinanzen in Deutschland.

Was aber hätte Friedrich geantwortet, wenn Müller ihn weiter gefragt hätte:

Können Sie uns sagen, wie hoch das Geldvermögen in Deutschland ist und wie es sich auf private Haushalte, Staat und Unternehmen verteilt?

Nein? Dann sage ich es Ihnen: Die Deutsche Bundesbank hat 2008 für Deutschland ein Geldvermögen von über 7,9 Billionen Euro ausgewiesen. Dem stehen Verbindlichkeiten von knapp 7,6 Billionen Euro gegenüber.

Auffallend dabei ist, dass die privaten Haushalte Geldvermögen von über 4,5 Billonen Euro besitzen, der Staat aber nur 0,5 Billonen, sich bei den Verbindlichkeiten aber beide fast die Waage halten.

Die hohe und im Verlauf der vergangenen Jahre noch gestiegene Vermögenskonzentration bei den privaten Haushalten einerseits und die im Vergleich zu anderen Industriestaaten unterdurchschnittliche Besteuerung von Vermögen in Deutschland andererseits würden es doch nahelegen, hier zumindest zum Durchschnitt der anderen Industrieländer aufzuschließen, finden Sie nicht?

Was halten Sie also von einer höheren Besteuerung von sehr hohen privaten Vermögen zur Schließung der Haushaltslöcher oder zur Finanzierung von Bildungsausgaben?

Fehlanzeige.

Aus einem anderen Gesichtspunkt interessant, ist dann allerdings die Aussage Friedrichs im Anschluss an seine oben zitierte Antwort:

“Müller: Aber den Griechen haben Sie das zugemutet!

Friedrich: Den Griechen musste man das zumuten, denn die Griechen haben das nicht gemacht, was wir in den letzten zehn Jahren, 15 Jahren massiv gemacht haben, nämlich Reformen den Menschen zugemutet, und jetzt müssen die Griechen in drei Jahren all das durchsetzen, was wir im Grunde seit Mitte der 90er-Jahre machen mussten.”

Klarer kann man nicht ausdrücken, dass die Not um den Euro zu großen Teilen vom deutschen Lohn- und Steuerdumping – beides kaschiert durch das Tarnwort Reformen – ausgeht. Dass dieses Konzept nicht aufgeht, ist an dieser Stelle beschrieben: Kapitalistische Mangelwirtschaft (FREITAG 07.05.2010).

 

Müller hätte Friedrich auch fragen können:

“Sie wollen die Ausgaben senken. Wissen Sie, wie stark die Staatsausgaben – gemessen an der Wirtschaftskraft – in Deutschland bereits in den Jahren vor der Krise gekürzt wurden?

Nein? Dann sage ich es Ihnen: Die deutsche Staatsquote ist seit 2002 – das Jahr, in dem der Euro als Bargeld eingeführt wurde – von 48 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, unserer Wirtschaftsleistung also, auf sagenhafte 43,6 Prozent im Vorkrisenjahr 2007 gesunken. Das sagt die offizielle Statistik der OECD. Das ist die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Differenz von 48 und 43,6 Prozent, 4,4 Prozent also, auf das heutige gerechnet, entspricht Einsparungen von über 100 Mrd. Euro. Ist das nicht vielleicht – losgelöst von der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise – das Geld, das für die Bildung und in den Kommunen fehlt?

Die Steuern und Abgaben, die Staatseinnahmen also, sind entsprechend gerechnet um rund 14 Mrd. Euro gesunken. Hätten wir allerdings die Staatseinnahmen gehabt wie der Durchschnitt der Eurozone – immer gemessen an der Wirtschaftsleistung – dann hätte der deutsche Staat rund 39 Mrd. Euro mehr eingenommen.

Haben wir unseren staatlichen Handlungsspielraum angesichts der Herausforderungen – Bildung, Gesundheit, soziale Leistungen, Infrastruktur, neue Technologien – nicht in unverantwortlicher Weise und, angesichts der schon angesprochenen Vermögensverhältnisse, nicht auch völlig unnötig eingeschränkt?

Ist das – auch bezogen auf die jetzt von der Bundesregierung als Vorbild in die europäische Diskussion eingebrachte deutsche Schuldenbremse – wirklich ein Modell – ein Wohlstandsmodell – für die Zukunft Europas, oder nicht vielmehr ein buchstäbliches Armutszeugnis?

Wie wohl die Antworten ausgefallen wären.


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