Was soll man dazu noch sagen: Die Wahlverlierer von gestern – Steinmeier vorneweg – erklären sich zu Siegern von morgen und wollen im Kern doch nichts anderes machen, als die jetzige Regierung aus CDU/CSU und FDP und deren Vorgängerregierung: die SPD.
“Anders als andere Parteien, die den gegebenen Herausforderungen ausweichten, habe sich die SPD ´entschlossen, Antworten zu geben´, sagte Steinmeier…´´.Wie halten intelligente Sozialdemokraten dieses Geschwätz bloß aus?
Schuldenabbau über alles
Schuldenabbau hat für die SPD ”1. Priorität”. Die Pressemitteilung posaunt: ”Die Erfahrungen aus der europäischen Schuldenkrise zeigten, dass auch in Deutschland die öffentlichen Haushalte so schnell wie möglich konsolidiert werden müssten, heißt es in dem zehnseitigen Papier, das Parteichef Sigmar Gabriel gemeinsam mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier im Berliner Willy-Brandt-Haus vorstellte.”
SPD kann sogar in den Abbau von Schulden ”investieren”
Köstlich – wenn es nicht so traurig wäre – auch dies:
“Insgesamt will die SPD durch Mehreinnahmen aus wirtschaftlichem Wachstum und durch Steuererhöhungen über fünf Milliarden Euro zusätzlich in den Abbau von Schulden investieren.”
Jetzt kann man also schon in den Abbau von Schulden “investieren”. Gibt es noch Ökonomen in der SPD-Fraktion, die sich – ihrem Gewissen und Wissen verpflichtet – an dieser Stelle kritisch zu Wort melden?
Nicht nur, dass man in den Abbau von Schulden nicht “investieren” kann; es verhält sich geradezu umgekehrt: Jeder Euro, der heute zur Schuldentilgung verwendet wird, steht heute nicht für öffentliche Investitionen in die Zukunft zur Verfügung.
Und wenn es “1. Priorität” ist, die Schulden abzubauen, hilft dies in aller Regel auch nicht dem wirtschaftlichen Wachstum, aus dem sich die SPD zuallererst ihre Mehreinnahmen verspricht, wie oben zu lesen ist.
Kein angemessener Spitzensteuersatz
Den Spitzensteuersatz ab 100.000 Euro auf 49 Prozent zu erhöhen, ist wiederum nicht besonders ehrgeizig, wenn man bedenkt, dass sich die Einkommens- und Vermögenskonzentration seit der Kohl-Ära dramatisch erhöht hat, zu Kohls Zeiten der Spitzensteuersatz aber immerhin noch 53 Prozent betrug.
Bildungsausgaben bleiben weiter hinter OECD-Durchschnitt zurück
Weiter heißt es:
“Investiert werden soll das Geld vor allem in den Abbau der Neuverschuldung, aber auch in die Zukunft des Landes. Für kostenfreie Kinderbetreuung und Bildung bis zum Studium soll der Bund rund 10 Milliarden Euro den Ländern zur Verfügung stellen.”Seit Jahren liegen allein die Ausgaben für Bildung in Deutschland, gemessen am Sozialprodukt, um 25 Milliarden Euro unter dem Durchschnitt der unter dem Dach der OECD versammelten Industriestaaten. Vor diesem Hintergrund klingt es geradezu lächerlich, dass die SPD meint: “Damit, so das Ziel, könne das international beste Bildungssystem geschaffen werden.”
Vermögens- und Erbschaftssteuer haben keine Priorität
Aber vielleicht verrät das Papierselbst ja mehr. “Nationaler Pakt für Bildung” ist es überschrieben, und darunter steht mit einem Ausrufezeichen versehen: “Wir denken an morgen!”Was aber ist mit heute, neigt der geplagte SPD-Wähler da vielleicht schon einmal zu fragen.
Kein Unterschied zu Merkel, Schäuble und Rösler in der Eurokrise
Der erste Teil des Konzeptes widmet sich der aktuellen Lage in Deutschland und Europa. Und was da drin steht, könnte eins zu eins von Merkel und Schäuble, ja sogar von Rösler stammen:
“Dabei ist klar: Euro-Länder, die ihre öffentliche Verschuldung nicht mehr im Griff haben, müssen konsequente Konsolidierungsprogramme beschließen und durchsetzen, um so ihren Teil zur Lösung der Staatsverschuldungskrise zu leisten. Auch in Deutschland müssen die öffentlichen Haushalte gemäß der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse so schnell wie möglich konsolidiert werden.”
Alles, aber auch Alles, wird von der SPD in den Dienst des Schuldenabbaus und der “Rückführung der Neuverschuldung” gestellt, auch “qualitatives Wachstum”:”Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns zu einer wachstumsorientierten Konsolidierungspolitik: Wir wollen gezielt Investitionen fördern, aktive Konjunkturpolitik betreiben, den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland ausbauen und die Binnennachfrage insbesondere durch die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde steigern. Denn gezieltes, nachhaltiges Wachstum ist immer noch der beste Garant für solide Finanzen!”
Daher wollen wir für Bildung so viel Geld bereit stellen wie die Spitze der erfolgreichen
Staaten.”
solide finanzierte Kommunen. Deutschland hat einen enormen Investitionsbedarf. Die
öffentlichen und privaten Investitionsquoten sind unterdurchschnittlich, die Energiewende
verlangt nach neuen Zukunftsinvestitionen. Hierfür müssen wir die notwendigen Mittel
bereitstellen.”
Die SPD zeichnet darin ein realistisches Bild von der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und schließt: “Diese Entwicklung begreift die SPD als ernste Herausforderung für Politik und Gesellschaft.”
“Das Konzept umfasst Vorschläge zum weiteren wirtschafts- und sozialverträglichen Abbau von Subventionen, die Modernisierung der Verwaltung sowie eine moderate Erhöhung der Steuerbelastung für sehr hohe Einkommen und Vermögen. Neben Mitteln für Zukunftsinvestitionen wirken wir so der wachsenden Ungleichheit in Deutschland entgegen.”
“Alle Vorschläge, die wir machen, sind gegenfinanziert und stehen unter dem Vorbehalt,
Expliziter Anspruch der SPD: radikaler beim Schuldenabbau zu sein als CDU/CSU und FDP
von 5,4 Mrd. Euro pro Jahr komplett für das Ziel der konsequenten Einhaltung der
Schuldenbremse und eines ausgeglichenen Bundeshaushalts. (Ca. 1,7 Mrd.
Euro sowie ca. 1,8 Mrd. Euro Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent ab
100.000 Euro Jahresverdienst für Alleinverdiener sowie 1,7 Mrd. Euro aus der
Erhöhung der Brennelementesteuer)”
“Wir investieren in die Zukunft unseres Landes: 27 Mrd. Euro für Bildung und Kommunen – finanziert aus Einsparungen, dem Abbau von überflüssigen Subventionen und der Wiedereinführung der Vermögensteuer für die Länder.
Auf dem Weg zum “weltweit besten Bildungs- und Betreuungsangebot” mit zusätzlichen 10 Milliarden – ab 2016
“Fazit: Neben dem vordringlichen Schuldenabbau sind Investitionen in Bildung und
In einem 3. Kapitel heißt es dann “Wir sorgen dafür, dass Arbeit und Fleiß wieder mehr wert sind: statt Subventionen für Billigjobs mehr Sicherheit bei Gesundheit und Rente!”
Ich kann hier getrost abbrechen, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die SPD ordentliche Freibeträge vorsieht, bevor die Vermögenssteuer greifen soll, und dass von einer Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den Sozialversicherungen für deren sozial ausgewogenere Finanzierung keine Rede ist.Wie für Steinbrück gemacht
Es fehlt ein sozialdemokratischer Gegenentwurf, der die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zum Ausgangspunkt wählt, die Eurokrise als Eurokkrise und nicht als selbstverschuldete Schuldenkrise einzelner Staaten begreift und der Investitionen und eine gerechtere Einkommens- und Vermögensentwicklung an den Anfang stellt. Der Schuldenabbau erledigt sich dann fast wie von selbst. Wenn dann noch deutlich gemacht wird, dass dies auch ökologisch nachhaltig geschieht, wäre vielleicht nur noch aufzuzeigen, wie eine Außenpolitik aussehen könnte, die sich wieder für Verhandlungen stark macht und Krieg nicht länger als Mittel der Politik ansieht.
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