Wenn der Zahnarzt bohren muss, ist es zu spät. Das Loch ist da. Wenn er seinen Patienten aber nicht davon überzeugt, sich die Zähne vernünftig zu putzen, wird er ihn bald wieder begrüßen dürfen. Denn die Karies ist ja nur das Symptom. Die Ursache ist die schlechte Zahnpflege. So kann der Zahnarzt vielleicht seine teure Praxis amortisieren, dem Patienten aber ist damit dauerhaft nicht geholfen.
Ähnlich verhält es sich mit der Umschuldung: Wenn Griechenland umschuldet und damit seine Schuldenlast verringert, ist dem “Patienten” allenfalls vorrübergehend geholfen, solange die eigentlichen Ursachen für die Entstehung der Schuldenlast nicht abgeschaltet werden. Wer in einer Umschuldung die Lösung sieht, kuriert nur am Symptom. Schlimmer noch: Eine Umschuldung wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Abwehrkräfte des Patienten weiter schwächen und ihn damit umso schonungsloser den eigentlichen Krankheitserregern aussetzen.
In seinem gerade erschienenen “Ausblick” auf Europa kommt aber selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) im Rückblick auf die Krise zu folgender Bestandsaufnahme: “Bald schon verschärften die Sorgen um den öffentlichen Sektor die Krise. Der Rückgang der Binnennachfrage führte zu einem starken Fall der Staatseinnahmen, und die Haushaltssalden verschlechterten sich dramatisch. Die Risikoaufschläge in den Problemländern schossen nach oben, sogar in den Ländern, die mit niedrigen Defiziten und Schulden in die Krise hineingegangen waren. Ein Teufelskreis entstand: Während sich die Staatsschuldenprobleme in Folge der durch Probleme im Bankensektor entstandenen fiskalischen Kosten verschlimmerten, verschlimmerten die Sorgen um den öffentlichen Sektor die Probleme im Privaten Sektor, und die Finanzierungskosten für beide stiegen an.”
Dass der IWF mit seinen “Rettungsmaßnahmen”, die im wesentlichen auf Einsparungen im öffentlichen Sektor setzen, die Binnennachfrage weiter schwächt und damit die Krise weiter verschärft, muss mit Blick auf seine eigene Bestandsaufnahme als besonders fragwürdig gelten. Interessant für die Umschuldungsdebatte ist zunächst aber einmal, dass die Staatsschuldenkrise und die gestiegenen Finanzierungskosten Ergebnis und nicht Ursache der allgemeinen Krise sind. Zu der zählen auch die im Rahmen der Finanzkrise entstandenen Probleme im Bankensektor.
Die exorbitanten Refinanzierungskosten für die Staatsschulden spiegeln sich in den Renditen für Staatsanleihen wider. Die sind auch nach der Sitzung des Europäischen Rates Ende März und dem seitdem nicht weniger hektisch gewordenen Rettungsaktivismus der EU und des IWF weiter gestiegen bzw. verharren auf hohem Niveau. Eine Umschuldung dürfte dieses Problem weiter verschärfen bzw. weitere Staaten in den vom IWF skizzierten Teufelskreis hineinziehen. Denn wer will bitteschön die Staatsanleihen eines Umschuldungslandes erwerben, das in seiner Wettbewerbsfähigkeit und beim Wirtschaftswachstum durch die angestoßenen Sparmaßnahmen zunächst einmal weiter zurückfallen wird und dessen Fähigkeit zum Schuldendienst sich daher kaum verbessern, wenn nicht verschlechtern dürfte? Und das bei einer weiteren Verschlechterung bei den Defizit- und Schuldenkriterien, die das durch die Sparmaßnahmen gebremste Wirtschaftswachstum aller Wahrscheinlichkeit nach mit sich bringt. Da stürzt man sich doch lieber gleich auf den nächsten Wackelkandidaten.
Schon dieser, sicher nicht vollständige Problemaufriss sollte deutlich machen, dass die Lösung der Schuldenkrise in Griechenland, Portugal, Irland und demnächst vielleicht auch in Spanien und Italien, nur über eine Lösung der Eurokrise und der ihr zugrundeliegenden Ursachen bewältigt werden kann. Eine Umschuldung ist keine Lösung, sie kuriert nur am Symptom.
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