Bundeswirtschaftsminister Brüderle warnte bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichtes: “Wir können den Rettungsschirm nicht bedingungslos weiter aufblähen.” Und: “Damit wäre der Weg in die Transferunion geebnet.” In diesem Zusammenhang sprach sich Brüderle – wie die Bundeskanzlerin - auch gegen gemeinsame Euro-Staatsanleihen aus: “Sie würden letztlich nur die erfolgreichen Länder mit höheren Zinsen bestrafen.”
Auf Grundlage seines Märchens irrt Brüderle Grimm auch, wenn er Euro-Staatsanleihen verteufelt, indem er davor warnt, dass Deutschland dann durch höhere Zinsen bestraft würde. Bestraft durch immens höhere Zinsen werden momentan die Länder der Eurozone, die durch die Finanzkrise in Not geraten sind. Die Finanzkrise wurde aber nicht durch unsolide Staatsfinanzen verursacht – sie sind die Folge -, sondern durch Banken und andere Finanzjongleure, die bei ihren Spekulationsgeschäften nicht zu letzt auch wegen einer immer laxeren deutschen Gesetzgebung freies Spiel hatten.
Hinzu kommen die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone, für die maßgeblich die einseitig auf Exporterfolge setzende deutsche Wirtschaftspolitik verantwortlich zeichnet; hierfür ursächlich ist wiederum die Gesetzgebung für die Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt, wie sie die Bundesregierungen seit Schröder massiv durchgeboxt haben. In deren Folge hat die Lohnentwicklung nicht mit der Produktivitätsentwicklung schritt gehalten; der statistische Ausdruck dieses Vorgangs ist die Entwicklung der Lohnstückkosten; sie haben sich in keinem anderen Land der Eurozone schwächer entwickelt als in Deutschland. Hierüber verliert Brüderle kein Wort.
Unberücksichtigt lässt der Bundeswirtschaftsminister auch Einschätzungen des Wirtschaftsweisen Bofinger, wonach Euroanleihen keineswegs ein höheres Zinsniveau nach sich ziehen müssen. Und: Ein Blick in den aktuellen Monatsbericht der Deutschen Bundesbank zeigt, dass Deutschlands Refinanzierungskosten inmitten der Eurokrise einen Tiefstand erreicht haben.
Vor diesem Hintergrund ist es eine Zumutung für jeden an die europäische Idee glaubenden Menschen, wenn der deutsche Wirtschaftsminister – und vorneweg die Bundeskanzlerin – Deutschland als Opfer möglicher gemeinsamer Rettungsanstrengungen für die Eurozone darstellen. Deutschland ist nicht Opfer, Deutschland ist Täter – und die Bundesregierung steht damit in besonderer Verantwortung für den weiteren Verlauf des europäischen Einigungsprozesses. Europa braucht eine Transfairunion. Eine Transferunion ist im übrigen jeder Staatenbund, der einen Ausgleich zwischen Regionen mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft bzw. unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus schaffen muss. Anders hat der europäische Integrationsprozess nie funktioniert – und wird nicht funktionieren.
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