Wirtschaftsforschungsinstitute in der Krise (13.10.2011)


Eine kleine Trilogie der Pressekonferenzen zu den aktuellen Konjunkturprognosen

Wie kühne Hoffnungen zerstieben

Am 5. Oktober machte das IMK den Aufschlag zu den Konjunkturprognosen im Herbst. Und tatsächlich sind die Wirtschaftsaussichten herbstlich zu nennen: Die Konjunktur kühlt sich nach Auffassung der Konjunkturforscher ab.

Und das, obwohl das Wachstum am Jahresanfang doch noch die “kühnsten Hoffnungen blühen” ließ, so Gustav Horn in der Pressekonferenz des IMK, in der das Institut bekannt gab, seine noch im Juni auf 4 % heraufgesetzte Prognose auf 3,2 % für dieses Jahr und die zuvor für das kommende Jahr prognostizierten 2,3 % auf 0,7 % herabzusetzen.

“Quellen der Revision” (Horn) seien der “Abwärtssog von außen”, die “Turbulenzen an den Finanzmärkten”, die weltweit auslaufenden Konjunkturprogramme und die weniger expansive Geldpolitik. Alles in allem keine überraschende Entwicklung; allenfalls überraschend, dass den Konjunkturforschern diese bereits zuvor absehbaren Risikofaktoren nicht schon vorher zu mehr Skepsis Anlass gaben. Jetzt sehen die Forscher ihr “Risikoszenario” “bestätigt”. Das aber stand nicht im Mittelpunkt ihrer letzten Prognose, sondern der “furiose Start in das Jahr 2011″.

Wer regiert – die Märkte oder die Politik?

Allergrößte wirtschaftspolitische Herausforderung ist die Eurokrise, so Horn. Die Wirtschaftspolitik müsse Rahmenbedingungen schaffen, “die die Märkte akzeptieren können.” Vielleicht kann ja aber eben dies unter den gegenwärtigen Umständen gar nicht gelingen, und die Politik muss vielmehr darauf aus sein, die Märkte (wieder) nach den politisch notwendigen Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Eurozone und der in ihnen lebenden Gesellschaften zu regulieren und zu gestalten – ob “die Märkte” nun wollen oder nicht.

DIW setzt Konjunktur auf die Couch

Am 6. Oktober folgte dann das DIW mit seiner Korrektur. “Wir gehen davon aus, dass die Hauptursache für die Schuldenkrise die Verunsicherung der Märkte ist”, ließ Ferdinand Fichtner, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW, auf der Pressekonferenz verlauten. Die “deutliche Revision hat psychologische Ursachen”, pflichtete Simon Junker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung, seinem Chef wenig später bei. Die deutsche Wirtschaft selbst sei in guter Verfassung – “letzten Endes durch die günstige Entwicklung der Lohnstückkosten”.

Blick durch die Schuldenbrille verhindert fundierte Ursachenanalyse

Wer, wie das DIW, die Wirtschaftskrise als Schuldenkrise begreift, kommt natürlich nicht auf die Idee, eben jene Entwicklung der Lohnstückkosten als Problem zu thematisieren; dass die Wettbewerbsfähigkeit der anderen Euroländer untergraben wird, und dass dies die damit verbundenen, steigenden Leistungsbilanzdefizite und die diesen entsprechende steigende Verschuldung jener Länder in den vergangenen Jahren mit verursacht hat und weiter verschärft.

Da hilft es auch nichts oder wenig, wenn die deutschen Lohnstückkosten jetzt einmal wieder steigen, diese Steigerung aber die in der Vergangenheit akkumulierten deutschen Wettbewerbsvorteile nicht ausgleicht. Dass dies nicht so ist, darauf verweist eine Graphik in einem Gastbeitrag von Andrew Watt im IMK-Report (S. 18), die zeigt, dass die deutschen Lohnstückkosten minus der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank auch weiterhin deutlich unter denen der anderen Eurostaaten verlaufen.

Vertrauen ist gut, aber…

Das DIW wähnt das Hauptproblem der Konjunktur in der “Verunsicherung”. Da ist es nur folgerichtig, sich von einer “Stabilisierung des Vertrauens” Erholung zu versprechen. Wie dieses Vertrauen wieder hergestellt werden soll, auf welchen realen Größen dies basieren kann, der Einkommensentwicklung beispielsweise, der Regulierung der Finanzmärkte, der Geldpolitik etc., das wurde aber nicht deutlich. Im Gegenteil: Fichtner sieht “keine großen Spielräume der Geldpolitik”. Und wenn auch “die Verunsicherung der Verbraucher” attestiert wird, so dämpften doch schließlich die Investitionen deren Wirkung auf die Konjunktur. Als ob die Investitionen unabhängig vom Verlauf der anderen Größen wären. Dass der “gedämpfte Konsum” auch etwas mit der Einkommensstruktur und -entwicklung zu tun haben könnte, ist für die Konjunkturforscher des DIW kein Thema. “Insgesamt steigen die Löhne recht ordentlich”, so Junker. Im gleichzeitig herausgegebenen Wochenbericht des DIW heißt es aber: “Für das nächste Jahr sind deutlich geringere Lohnanhebungen zu erwarten.”

Aus der Krise heraus schrumpfen – Wirtschaftsforschung als Glaubensbekenntnis

Die Krönung aber brachte heute die Pressekonferenz zur Herbstprognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute: “Leider muss es wohl so sein, dass Griechenland aus der Krise heraus schrumpfen muss.” So Klaus Abberger vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung abschließend.

Immerhin wurde diese Pressekonferenz – anders als die anderen beiden – durch sehr viele sehr kritische Fragen belebt. Die grundsätzlichste vielleicht stellte, wie sollte es auch anders sein, ein angelsächsischer Kollege, Quentin Peel, Chefkorrespondent der Financial Times: “Woher soll denn das Wachstum kommen?”, fragte er, nach dem die vor uns sitzende deutsche Ökonomenzunft ihr übliches Glaubensbekenntnis abgeliefert hatte, zu dem unter anderem zählte, “dass die langfristige Wirtschaftsentwicklung nicht von Nachfragefaktoren abhängt”, so Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Auf die Frage des britischen Kollegen fanden die “Forscher” freilich keine Antwort.

Bleibt noch zu vermerken, dass alle Institute in ihrer Herangehensweise und ihren Ergebnissen nicht wesentlich voneinander abweichen.

Ein gefundenes Fressen für den Auftraggeber

Wenn man bedenkt, dass das Herbstgutachten im “Dienstleistungsauftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie” erstellt wird, ist es noch einmal mehr erschreckend, dass die Forschungsinstitute mit ihren Rezepten über Allgemeinplätze wie “die Rekapitalisierung der Banken”, “ein Insolvenzverfahren für Banken” und “ein Insolvenzverfahren für Staaten” trotz der in diesem Fall zahlreichen kritischen Nachfragen durch die anwesenden Journalisten nicht hinauskamen. “Haushaltskonsolidierung” und “die Ablehnung von Konjunkturprogrammen” sind dabei Pflicht und Kür zugleich. Sind diese Ökonomen ihr Geld wirklich wert? Wir haben nicht nur eine Eurokrise, wir haben auch eine Krise der Wirtschaftsforschungsinstitute. Leider ist der Auftraggeber leicht zufriedenzustellen. Er ähnelt dem bekannten Kaiser ohne Kleider. Die haben ihm die führenden deutschen Ökonomen einmal wieder gehörig auf den Leib geschneidert.

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