(Erschienen in der Tageszeitung junge welt am 21. September 2007: http://www.jungewelt.de/2007/09-21/050.php)
Auch der öffentliche Bankensektor mutiert mehr und mehr zum Spielcasino. Schärfere gesetzliche Aufsicht und Regulierung sind notwendig
Viele Kleinunternehmer und Mittelständler werden sich in den vergangenen Wochen die Augen gerieben haben. Während die Banken ihnen gegenüber die Meßlatte für die Kreditvergabe immer höher legen und dies mit international geregelten strengeren Auflagen begründen, lesen sie nun, daß selbst die mit einem öffentlichen Auftrag versehenen Landesbanken und die IKB das Geld lieber im Ausland auf den Kopf hauen. Der erste Schritt zur US-Hypothekenkrise war schließlich die Vergabe von Hypothekenkrediten an private Bauherren mit niedriger Kreditwürdigkeit und hoher Ausfallwahrscheinlichkeit (im Fachjargon Subprime-Markt). Durch Aussichten auf hohe Renditen gelockt, ließen sich neben den privaten auch die öffentlichen Banken auf den Handel mit gebündelten Risiken aus jenen Hypothekenkrediten ein. Die Deutsche Industriebank (IKB), die auf ihrer Internetseite damit wirbt, »die richtige Bank für Unternehmen« zu sein, verzockte ihr Geld mit Kreditrisiken privater Häuslebauer in den Vereinigten Staaten.
Renditejäger
Die Jagd nach der schnellsten und höchsten Rendite bestimmt längst auch das Geschäft der Landesbanken. Seit 2001 feststand, daß die öffentlichen Träger der Landesbanken zukünftig nicht länger die für die Erfüllung der Geschäfte erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen müssen (Anstaltslast) und für mögliche Verluste, die nicht durch eigene Vermögenswerte gedeckt sind, aufkommen (Gewährträgerhaftung), kennen deren Vorstände nur noch ein Ziel: den Weg an die Kapitalmärkte. Um aber für private Investoren attraktiv zu sein und auch ohne staatliche Obhut die für die eigene günstige Refinanzierung entscheidende, gute Benotung der Ratingagenturen zu erhalten, muß die Rendite stimmen. Wenn die Landesbanken dies nicht gewährleisten könnten, so das Credo der Vorstände, würden sich deren Eigentümer – die Städte oder Länder – eben eine andere Anlage für ihr Vermögen suchen. Die Gemeinwohlorientierung des öffentlichen Bankensektors ist dadurch längst der unkontrollierten Gewinnmaximierung gewichen. »Die maximale Profitorientierung war bisher nicht unser öffentlicher Auftrag. Es wird harte Arbeit sein, den Kulturwandel in der Bank zu vollziehen«, sagte der Vorstandschef der Landesbank Baden-Württemberg 2005 dem Handelsblatt. In vielen Landesbanken ist dieser »Kulturwandel« offensichtlich in vollem Gange. In die HSH-Nordbank, dem aus der ehemaligen Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein hervorgegangenen Institut, hat sich bereits die erste »Heuschrecke« eingekauft.
Der Skandal um IKB, Sachsen LB und WestLB, der Befund, daß neben privaten Kreditinstituten auch weitere Landesbanken mit hohen Summen an risikobehafteten Kreditgeschäften im Ausland beteiligt sind, unterstreicht die Forderung der Linken im Bundestag nach einer schärferen Regulierung des Finanzsektors. Es macht aber auch deutlich, daß die über den Wegfall von Gewährträgerhaftung und öffentlicher Anstaltslast ausgelöste Privatisierung der Landesbanken ein einseitig an der Gewinnmaximierung ausgerichtetes Denken und Handeln in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten bis hin zu den öffentlichen Eigentümern hervorgebracht hat.
Öffentlicher Auftrag
Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Heinrich Haasis, merkte 2004 an, daß »der öffentliche Auftrag Grundlage und Voraussetzung für das Bestehen öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute« sei. »Ein Rechtsformwechsel brächte die Gefahr des Verlustes der dauerhaft gesicherten Konzentration auf die ganzheitlichen Belange einer Region. Dagegen verbindet die öffentliche Rechtsform Sparkassen und Landesbanken dauerhaft mit dem Selbstverständnis, aktiv an der Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme in den Regionen teilzunehmen.«
Die aktuellen Ereignisse zeigen, wie weit sich die Vorstände, Verwaltungsräte und Eigentümer hiervon bereits entfernt haben. Es ist Aufgabe der Politik, darauf zu reagieren. Sie muß die Einflußnahme der öffentlichen Träger im Sinne der von Haasis aufgezeigten Ziele wieder stärken und einfordern. Wer zwingt die öffentlichen Eigentümer denn dazu, den Privatbanken bei ihrer Jagd nach immer höheren Renditen hinterherzurennen? Die politisch Verantwortlichen könnten sich statt dessen offensiv dazu bekennen, der Förderung der kommunalen Wirtschaft und sozialer Belange Vorrang gegenüber einer verantwortungslosen Profitmaximierung einzuräumen. Auch das internationale Geschäft der Landesbanken hat sich wieder verstärkt darauf zu konzentrieren, die Unternehemen hier mit ihrem Engagement im Ausland zu stärken. Die immer stärkere Konzentration auf spekulative Finanzprodukte ist abzulehnen. Zugleich muß die Haftung von Vorständen, Aufsichts- und Verwaltungsräten bei öffentlichen wie privaten Instituten verschärft werden. Diejenigen, die in Management und Politik ständig Eigenverantwortung fordern, sollten sich dieser auch nicht länger entziehen dürfen.
Wenn die Bundeskanzlerin demgegenüber vor einer »vollkommenen Durchregulierung des Bankenmarktes« warnt, verkennt sie die Situation und handelt nicht im Sinne der Menschen und überwältigenden Zahl von Betrieben, die unter diesem System immer mehr in Bedrängnis geraten: Das sind die kleinen und mittleren Unternehmen, die die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen.
Unser Autor ist Volkswirt, war langjährig im Landesbankensektor tätig und arbeitet als Referent des Vorsitzenden der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, Oskar Lafontaine
Erschienen in: http://www.jungewelt.de/2007/09-21/050.php
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