Kommentar zur Diskussion über die Rente mit 67

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Deutschlandfunk, Mittwoch, 04. Januar 2012 16:00 Uhr

Beschäftigungsquote für Ältere vorgeschlagen – FDP dagegen

Die FDP hat Forderungen nach einer Beschäftigungsquote für ältere Arbeitnehmer zurückgewiesen. Der Rentenexperte der Fraktion, Kolb, verwies darauf, dass der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 60 Jahre bereits jetzt bei mehr als 26 Prozent liege. Eine Quote sei daher nicht nötig. Der Chef der Senioren-Union, Wulff, hatte vorgeschlagen, eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen für Über-60-Jährige zu reservieren. Der SPD-Sozialexperte Schreiner sprach sich dafür aus, für mindestens die Hälfte der betroffenen Personengruppe sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bereit zu stellen. – SPD-Generalsekretärin Nahles kündigte einen Gesetzentwurf zur Aussetzung der Rente mit 67 an.

Greifen wir uns nur einmal die vermeintlich “linkeste” Position dieses rentenpolitischen Potpourris heraus, die der Deutschlandfunk in seinen 16-Uhr-Nachrichten ausstrahlte:

“Der SPD-Sozialexperte Schreiner sprach sich dafür aus, für mindestens die Hälfte der betroffenen Personengruppe sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bereit zu stellen.”

Wie soll es denn den verbleibenden 50 Prozent ergehen, die keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze bekommen? Die stören dann den sozialen Frieden nicht mehr? Oder geht es vielmehr wieder einmal darum, den Frieden innerhalb der SPD zu wahren?

Durchschnittliches Rentenzugangsalter 2000-2010, Zur Vergrößerung auf die Tabelle klicken. Quelle: Drucksache 17/7770, Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2011);

Ohne diese Kompromisshaltungen – die SPD hat auf dem Parteitag im Dezember das Problem der Rentenarmut in eine weitere, die neunte Rentenkommission verschoben -, ohne diese Bereitwilligkeit der “Linken” zur Hinterzimmerpolitik innerhalb der SPD, wäre die Änderung der Rentenformel und die Rente mit 67 vielleicht gar nicht Realität geworden. Jene “politische Bescheidenheit” – nicht nur was die Forderungen anbelangt, sondern auch deren Argumentationsmuster – auch von linker Seite, hat den Münteferings, Steinmeiers und Steinbrücks es doch überhaupt immer wieder erlaubt, auf den Sozialstaat loszugehen. Das bis heute – 13 Jahre nach Schröders Amtsantritt – nicht zu begreifen und sich, jetzt in der Opposition, auch noch vor diesen Karren spannen zu lassen, ist schlichtweg unpolitisch. Man kann auch sagen opportunistisch – denn die Partei scheint dann doch wichtiger zu sein als die von ihrer Politik betroffenen Menschen. Viele Menschen merken das. Es trägt nicht unwesentlich zur Parteienverdrossenheit bei.

Sich überhaupt auf jene “Argumentation” zur Rente mit 67 einzulassen und ihr nicht eine eigenständige Argumentation entgegenzuhalten, ist der Sache nach doch völlig irrational:

1. ist das zentrale, schon heute manifeste Problem für Altersarmut die unter rot-grün zerstörte Rentenformel und die durch Hartz IV bedingte schlechte Lohnentwicklung. Damit kann man guten Gewissens auch auf die Rente mit 67 antworten. Es sei denn man hat Angst, damit in der SPD anzuecken und zieht es vor, über längst bekannte Sachverhalte hinter den verschlossenen Türen einer neunten Rentenkommission zu diskutieren.

Erwerbstätigenquoten der 60-64-Jährigen 2000-2010, Zur Vergrößerung auf die Tabelle klicken. Quelle: Drucksache 17/7770, Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2011);

2. wird auch von “linker” Seite nicht die Produktivität ins Spiel gebracht und auch nicht, dass ja – selbst wenn die Demographie-Prognose, die in der Vergangenheit noch immer in der langen Frist falsch gelegen hat, tatsächlich eintreten sollte – auch weniger “Kosten” bzw. Ausgaben für die Jüngeren entstehen. Ebenfalls wird in diesem Zusammenhang nicht problematisiert, warum denn immer weniger Menschen sich für Kinder entscheiden. Sehr schnell würde man darauf kommen, dass das auch etwas mit sozialer Sicherheit und Zukunftsperspektiven zu tun hat. Die aber könnte man ja auch zu Gunsten der demographischen Entwicklung gestalten. So wird die SPD jedenfalls nicht glaubwürdiger, und so wird die SPD daher auch nicht das Vertrauen der Rentnerinnen und Rentner mit einem plakativen, eher parteitaktisch motivierten Gesetzentwurf (Vorführen der CSU) zur Aussetzung der Rente mit 67, wie jetzt von Nahles angekündigt, zurück gewinnen. Diese Spielchen sind viele Menschen leid. Es ist angesichts einer ziemlich brüchig gewordenen Sozialstaatlichkeit und einer zunehmend verunsicherten Bevölkerung ein verantwortungsloses Handeln. Das war es schon bei den Verhandlungen und im Ergebnis lächerlichen Erhöhungen der Hartz IV Sätze, die die SPD sich nichts desto trotz zu gute hielt.

3. fällt schließlich nicht nur in dieser Berichterstattung auf, dass die Position der LINKEN nicht wiedergegeben wird, die aber das Thema Rentenarmut seit ihrem Einzug in den Bundestag 2005 am vehementesten problematisiert hat. Sie wird ja wohl heute dazu nicht geschwiegen haben. Nein, hat sie nicht, wie ein kurzer Blick auf ihre Internetseite zeigt. Ich bin mir aber sicher, dass die Verantwortlichen bei der LINKEN dies brav hinnehmen. Ist ja auch ganz schön anstrengend und irgendwie lästig, so ein Anruf beim Deutschlandfunk.


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