“Fast acht Stunden lang hat Ministerpräsident Papademos mit den Parteichefs seiner Regierungskoalition um das neue Sparpaket gerungen…Weit nach Mitternacht erklärte Papademos, es gäbe eine breite Übereinstimmung über alle Punkte des Programms, mit einer Ausnahme. Beobachter in Athen vermuten, dass es sich bei dieser Ausnahme um die geplanten Rentenkürzungen handelt…Der Chef der konservativen Partei Nea Dimokratia, Samaras, hatte im Vorfeld angekündigt, für die Renten kämpfen zu wollen…In der Bevölkerung macht sich geradezu Verzweifelung breit, dass nun weitere Lohnkürzungen anstehen. ´Ein langsamer Tod, es ist wirklich zum Verzweifeln, wenn Du Dich umschaust, überall nur Niedergang, nirgendwo siehst Du hier Optimismus, nur den Kampf ums tägliche Überleben…´…´Wer rechnen kann sieht, wir werden ins Verderben geführt´…”
Soweit ein Auszug aus dem eindrucksvollen und bedrückenden Bericht von Thomas Bormann heute früh im Deutschlandfunk (auch hier nachzuhören: Thomas Bormann – Griechenland – noch keine Einigung über Sparpaket (Deutschlandfunk, 09.02.2012, 6 Uhr 13).
Vor diesem Hintergrund gewinnt in meinen Augen die Meldung von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles noch einmal mehr an Gewicht: Nahles hatte vor drei Tagen die Kanzlerin aufgefordert, doch nach Griechenland zu reisen. Dagegen ließe sich nun wirklich nichts einwenden; auch wenn sich einem sofort die Frage stellt, warum denn Andrea Nahles, Sigmar Gabriel und Frank Steinmeier nicht in Griechenland sind, und warum sie nicht tagtäglich auf die schlimmen sozialen Verwerfungen beim europäischen Nachbarn hinweisen!
Verwerflich aber ist die Begründung, mit der Nahles die Kanzlerin nach Griechenland schicken wollte. In der Meldung von Nahles heißt es:
“Statt nach Frankreich zu reisen, empfiehlt die SPD-Generalsekretärin der deutschen Regierungschefin einen Besuch in Griechenland, um Antonis Samaras ´einmal die Meinung zu sagen´. Schließlich präsentiere sich ihr Parteifreund als ´Hauptblockierer´ der notwendigen Strukturreformen im Land und lasse sich ´in keine Kabinettsdisziplin einbinden´, kritisierte Nahles am Montag in Berlin.”
Ich habe hierzu noch am selben Tag den folgenden Kommentar an die NachDenkSeiten gesendet, der dort auch ist:
“Schon lange überlege ich, eigens für die SPD-Generalsekretärin eine Kolumne einzurichten: ´Banales von Nahles´. Die Meldung oben von ihr bringt diese Idee noch einmal eine Stufe höher auf meine Prioritätenliste. Wer in Zeiten von Massenentlassungen, Lohndekreten, Rentenkürzungen und hungernden Kindern in Griechenland nichts Wichtigeres zu tun hat, als parteipolitisch zu ´blödieren´ und die drakonischen Sparmaßnahmen als ´notwendige Strukturreformen´ zu verharmlosen, hat wirklich gar nichts begriffen. Aber Begreifen und vielleicht sogar Mitgefühl passen vielleicht auch nicht zu einer Politikerin, die Hartz IV und Rentenkürzungen auch hierzulande mit zu verantworten hat. Aber für Nahles wird sicherlich nur zählen, mit ihrer Pressemitteilung zitiert worden zu sein. Glückwunsch, dabei sein ist alles, auch wenn´s 15.000 Staatsdiener den Job kostet; das sind halt ´notwendige Strukturreformen´; es lebe die Agenda 2010.”
Fand ich die Meldung vor drei Tagen bereits einen unerhörten Vorgang für eine sich sozialdemokratisch nennende Politikerin, so gab mir der Bericht von Thomas Bormann aus Griechenland in den Frühnachrichten des Deutschlandfunks noch einmal den Anlass, diesen Vorgang noch einmal aufzugreifen, um ihn nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen.
Dieser Text ist mir etwas wert
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