Ursula Engelen-Kefer hat über ihre Kritik an der “Verrohung der politischen Sitten” hinaus auch ihre Einsichten in das griechische Staatswesen geschildert. So einleuchtend ihre Ausführungen zu den Privilegien an der Spitze des Staatswesens und das mangelnde Steuerwesen sind und so sicher Änderungen geboten erscheinen – die heute die Welt bewegende Krise für das griechische Staatswesen begann erst mit der Finanzkrise.
Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben des griechischen Staates öffnete sich auffallend ebenfalls erst mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2009. (1)
So wünschenswert die von Ursula Engelen-Kefer angemahnten Veränderungen sind, die Gründe für die Eurokrise und den sprunghaft angestiegenen Staatsschuldenstand Griechenlands liegen in den Auswirkungen der nicht vom griechischen Staat – und auch nicht von den griechischen Banken – ausgelösten Finanzkrise und dem damit verbundenen Konjunktureinbruch und den auch vom griechischen Staat eingeleiteten Stützungsmaßnahmen für die Privatwirtschaft.
Die von Ursula Engelen-Kefer kritisierten Ratingagenturen und die damit verbundene Spekulation und Belastung des Staates durch hohe Zinsen müssen in der Tat jedem Staat den Garaus machen (seit dem Frühjahr 2010 hat der griechische Staat keine neuen Anleihen begeben).
Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist hierbei jedoch noch gar nicht berücksichtigt, der aber weiter unter der Eurokrise schwelt: Die Deutschen haben mit ihrer Gesetzgebung, vor allem der Agenda 2010, dafür gesorgt, dass die goldene Lohnregel, nach der die Löhne entsprechend der Produktivität und der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank wachsen müssen, damit im gemeinsamen Währungsraum eine einheitliche Inflationsrate erreicht werden kann, permanent unterschritten wurde. Hier liegt dann auch der eigentliche Korrekturbedarf, an dem sich auch die SPD messen muss. Die SPD-Spitze konzentriert sich wie die Kanzlerin auf den Schuldenabbau und fordert Ausgabenkürzungen. Würde die SPD die Problematik der Lohnentwicklung in den Mittelpunkt stellen, käme sie auch nicht darum herum, die eigenen Arbeitsmarktreformen wie die Agenda 2010 in Frage zu stellen (vgl. dazu auch: Eurokrise offenbart Scheitern deutscher Reformpolitik).
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(1) Hierzu habe ich gerade – 11.02.2012 – einen Hinweis von Niels Kadritzke erhalten: Demnach ist das Auseinanderdriften von Staatsausgaben und -einnahmen im Jahr 2009 dem Wahljahr 2009 geschuldet und hat nichts mit der Finanzkrise zu tun: “Die Steuereintreiber bekommen Anweisung, potentielle Wähler in Ruhe zu lassen, und die Regierung, die ihre Abwahl fürchtet, stellt noch kurz ihre Leute in den Staatsdienst ein in diesem Fall ca. 40 000 Leute allein im Sommer 2009.” So Niels Kadritzke.
Ich gebe allerdings zu bedenken: Wahlen gab es auch in den Jahren davor. Wenn dieser Vorgang also sichtbar stärker ausfiel als bei vorangegangen Wahlen, dürfte dies auch in Zusammenhang mit der Krise stehen. Wenn die von Niels Kadritzke ausgewiesenen 40.000 Leute nicht eingestellt worden wären, hätte sich dies darüber hinaus, sofern diese Leute vorher in Beschäftigung waren, auch in sinkenden Steuereinnahmen und Beitragsverlusten der gesetzlichen Sozialversicherungsträger sowie steigenden Sozialausgaben (Arbeitslosengeld) niedergeschlagen, die Kurven in der Graphik also in gleicher Richtung beeinflusst. Zum Arbeitslosengeld in Griechenland, siehe auch hier: Griechenland kürzt Ansprüche auf Arbeitslosengeld.
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