Einigen sieht man es an, dass sie vom plötzlich einkehrenden Frühling überrascht wurden. Sie laufen in Winterstiefeln die Spree entlang. Andere scheinen unter Schock zu stehen, denn sie haben auch um die Mittagszeit noch nicht ihre Daunenjacken ausgezogen. Ich fühle mich geradezu aufgefordert, ihnen aus ihrer Kleidung zu helfen, unterlasse es aber doch, aus Angst, sie noch mehr zu verwirren.
Gleichzeitig liegen viele schon in T-Shirts und mit nackten Füßen auf dem Rasen gegenüber der Museumsinsel, so auch ich. Und es ist ein Genuss. Leise Straßenmusik weht zu mir herüber. Kurze Zeit später spielt ein Jazz-Duo aus Kopenhagen auf. Die Leute klatschen Beifall, erfrischend, wie der Frühling selbst.
Ich lese Jakob Wassermanns Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens. Es ist so ein feinfühliges Buch, wie es vielleicht nur jemand schreiben kann, der sich selbst immer wieder verstoßen fühlen musste. Thomas Kraft schreibt über das Werk und Wassermann: “Es ging ihm vor allem darum zu zeigen, wie ein Mensch an der Lieblosigkeit seiner Mitmenschen zugrunde gehen muss, wenn diese nur materielle Ziele und egoistische Ambitionen verfolgen…Die Überwindung der Herzensträgheit durch Phantasie und Humanität, durch Mitleid und Güte ist für ihn ´adliger´ und ´wichtiger für das Ganze der Menschheit und die Idee ihres Seins´ (aus der ´Rede über Humanität).”
Wie erschreckend aktuell diese Gedanken und der von ihnen geleitete Stoff.
Dieser Text ist mir etwas wert
|
|