Kommentar zur Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst: Die drei Fragezeichen

 

Die Preisentwicklung: Eine wichtige, aber nicht die einzige Größe zur Bewertung des Tarifergebnisses (Zur Vergrößerung auf die Graphik klicken.)

Spiegel online spricht von “satten Lohnerhöhungen”. Legt man die jüngsten Prognosen des IMK, OFCE und WIFO für die Verbraucherpreise zugrunde, dürften die für die kommenden zwei Jahre rückwirkend zum ersten März ausgehandelten 6,3 Prozent in der Tat ein Reallohnplus für die Beschäftigten bedeuten.

Laut IMK, OFCE und WIFO steigen die Verbraucherpreise in diesem Jahr um 1,8 Prozent und 2013 um 1,3 Prozent. Die erste Tariferhöhung soll rückwirkend zum 1. März erfolgen und 3,5 Prozent betragen; im Januar und im August 2013 sollen dann jeweils Steigerungen von 1,4 Prozent folgen (die bisher in vielen Medien verbreiteten, jeweils 1,3 Prozent für 2013 sind laut ver.di falsch).

Mindestens drei Fragezeichen sind dennoch hinter diesen Abschluss – in trockenen Tüchern ist er erst, nachdem ver.di seine Mitglieder befragt hat – zu setzen.

1. Die Einigung beinhaltet – mit Ausnahme für die Beschäftigten mit Bestandsschutz – für alle nicht über 54-Jährigen eine Arbeitszeitverlängerung; ihr Urlaubsanspruch wurde von 30 auf 29 Tage gekürzt. Das mindert sowohl das Lohnplus im Verhältnis zur Arbeitszeit als auch die Chancen für zusätzliche Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst. Es wäre also interessant zu wissen, wie hoch die tatsächliche Lohnsteigerung unter Berücksichtigung der Arbeitszeitverlängerung bzw. Urlaubsminderung ausfällt und wieviel Stellen diese Arbeitszeitverlängerung entspricht.

2. Ein weiterer Bestandteil der Tarifeinigung ist, dass Auszubildende unbefristet übernommen werden – allerdings erst nach einjähriger “Bewährungszeit”. Wie aber ist zu begründen, dass nach zwei oder drei Jahren Ausbildungszeit der Arbeitnehmer noch einmal ein Jahr ableisten muss, um sich zu “bewähren”?

3. Der vorherige, 2010 erzielte Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst sah eine Entgelterhöhung bei einer Vertragslaufzeit von 26 Monaten zum 1. Januar 2010 um 1,2 Prozent, zum 1. Januar 2011 um weitere 0,6 Prozent und zum 1. August 2011 nochmals um 0,5 Prozent vor. Dieser Abschluss bedeutete aufgrund der höheren Preissteigerungen in diesem Zeitraum Reallohnverluste für die Beschäftigten. Auch dies relativiert die jetzt erzielte Einigung, und es wäre interessant zu wissen, ob denn die jetzt vereinbarte Lohnsteigerung den Reallohnverlust aus den letzten beiden Jahren kompensiert bzw., sollte dies der Fall sein, wieviel denn dann noch real mehr im Portemonnaie verbleibt.

Von “satten Lohnerhöhungen”, wie der Spiegel suggeriert, kann vor diesem Hintergrund wohl nicht gesprochen werden. Um auf dem Teppich zu bleiben, sollte man auch nicht unter selbigen kehren, dass die Gewerkschaften – ver.di, GEW, dbb und GdP – mit der Forderung nach einer Lohnerhöhung von 6,5 Prozent, mindestens jedoch 200 Euro monatlich für die etwa zwei Millionen Beschäftigten im Bund und den Kommunen in die diesjährigen Tarifverhandlungen hineingegangen sind – bei einer Laufzeit von 12 Monaten.

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