“Man muss die politische Dynamik in den einzelnen Ländern mitdenken.” – Zur Konjunkturprognose des Makro-Konsortiums aus IMK, WIFO und OFCE

Heute Vormittag vor dem Haus der Bundespressekonferenz: Dunkle Wolken ziehen auch über dem Euroraum auf.

“Man muss einfach die politische Dynamik in den einzelnen Ländern mitdenken”, warnte Stephan Schulmeister auf der heutigen Pressekonferenz zur Konjunkturprognose des Makro-Konsortiums aus IMK, WIFO und OFCE (1).

Schulmeister verwies dabei beispielhaft auf die Lockerung des Kündigungsschutzes in Italien, die damit verbundene steigende Gefahr von Entlassungen und daraus folgenden Kettenreaktionen für Wachstum und Beschäftigung. Letztere dürften dann auch nicht spurlos an den ökonomischen Größen vorübergehen, auf die sich der ökonomische und politische Mainstream in Europa und insbesondere in Deutschland konzentriert: Die Staatsverschuldung und das Staatsdefizit.

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Während sich die meisten Konjunkturprognosen und ihre Protagonisten auf das reine Zahlenwerk ihrer Modelle stützen, fiel die heutige Pressekonferenz sehr grundsätzlich aus. Logische und empirische Zusammenhänge, wie das “Sparparadoxon”, standen im Mittelpunkt.

Der Leiter des IMK, Gustav Horn, hielt fest: “Wenn der Fiskalpakt beschlossen und die Sparvorhaben umgesetzt werden, müssen wir damit rechnen, dass der Euroraum in einer tiefen Rezession endet.” Horn warnte vor einer “massiven Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Aktivität, die sich dann auch am Arbeitsmarkt niederschlägt.”

Erforderlich sei eine expansive Nachfragepolitik. Die jetzt eingeschlagene “europäische Strategie wird nicht tragfähig sein”, so Horn. Die ist auf einseitiges Sparen zum Zweck der Haushalts- und Schuldenkonsolidierung ausgerichtet. Die so ausgerichteten Konsolidierungsbemühungen müssen auch laut Schulmeister scheitern. Die Schuldenstandsquoten (Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) werden weiter steigen, so Schulmeister, weil ein Absenken der Schulden durch Ausgabenkürzungen von einem noch stärkeren Rückgang des Bruttoinlandsproduktes begleitet wird. Dieses Sparparadoxon – der Versuch, durch Ausgabensenkungen Defizite und Schulden zu senken, endet in höheren Defiziten und Schulden – ist, so Schulmeister, in jedem ökonomischen Lehrbuch nachzulesen. In den USA würde diese Logik auch von Politikern berücksichtigt, bei uns jedoch nicht. Schulmeister verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die USA und Japan – trotz höherer Verschuldung – stärker wachsen, als der Euroraum, weil sie keine Austeritätspolitik (Sparpolitik) wie im Euroraum praktizieren.

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Schulmeister verwies zur Stützung seiner Aussagen auf zwei Szenarien. Das eine beinhaltet den aktuell diskutierten Fiskalpakt. Das andere Eurobonds. Nach dieser Modellsimulation zeigt die Gegenüberstellung, dass Staatsschulden und Budgetsaldo sich unter den Maßnahmen des Fiskalpaktes deutlich negativer entwickeln, als unter einem durch Eurobonds stabilisierten Zinsniveau (entscheidend für eine positivere Entwicklung hierbei ist, dass das Niveau der langfristigen Zinsen unter der nominellen Wachstumsrate liegt). “Gelänge es durch Einführung von Eurobonds das Niveau der langfristigen Zinsen bei 2 % zu stabilisieren (wie in den USA und Großbritannien), so ergäbe sich in allen Euroländern, aber auch in der EU insgesamt und damit auch in der Weltwirtschaft eine viel bessere Entwicklung.”

Schumeister und Horn warnten vor dem Hintergrund des Fiskalpaktes eindringlich vor einer sich noch weiter vertiefenden Kluft innerhalb des Euroraumes, zwischen den Mitgliedsländern in Südeuropa auf der einen und Deutschland sowie den übrigen Euroländern in Mittel und Nordeuropa auf der anderen Seite. Dies stelle auch eine schwere Belastungsprobe für die Demokratie dar.

Horn warnte außerdem davor: “Mit Kompensation außerhalb des europäischen Auslands ist nicht zu rechnen.” Auch Deutschland sei von den Folgen des Sparkurses negativ betroffen, aufgrund des hohen Anteils deutscher Exporte in den Euroraum. Dass Deutschland – im Gegensatz zum Euroraum insgesamt – noch keine Rezession drohe, führte Horn auf zwei Ursachen zurück: 1. Deutschland profitiert besonders von der außereuropäischen Nachfrage. 2. Die Binnennachfrage würde durch einen etwas kräftigeren inländischen Konsum gestützt.

Siehe dazu auch: Europa neu begründen. Ein Aufruf.

(1)

Sparkurs im Euroraum trifft deutsche Wirtschaft – 2012 nur Wachstum um 0,3 Prozent

Fiskalpakt belastet Euroraum

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