Gut, dass man im Internetzeitalter die Nachrichten noch einmal nachlesen kann, denn bei der folgenden Mitteilung habe ich zunächst meinen Ohren nicht getraut. Unter der Überschrift “von der Leyen: Deutsche Wirtschaft sollte beim Abbau der EU-Jugendarbeitslosigkeit helfen” meldete der Deutschlandfunk in seinen 18 Uhr-Nachrichten:
“Bundesarbeitsministerin von der Leyen hat sich dafür ausgesprochen, Griechenland und Spanien beim Abbau der Jugendarbeitslosigkeit zu unterstützen. Allein in Deutschland seien mehr als eine Million offene Stellen gemeldet und der Bedarf an Fachkräften werde schon wegen der schrumpfenden Bevölkerung weiter ansteigen, sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie kündigte an, Initiativen fördern zu wollen, die junge Menschen aus Nachbarländern mit hoher Arbeitslosigkeit nach Deutschland führen. Die Betriebe hierzulande profitierten davon, und die Jugendlichen aus Spanien oder Griechenland könnten endlich ins Arbeitsleben starten, erklärte Frau von der Leyen.”
Was die deutsche Arbeitsministerin bei all dem völlig zu vergessen bzw. was sie nicht zu interessieren scheint, ist, was denn mit der Wirtschaft in Griechenland und in Spanien passiert. Erst bildet die deutsche Bundesregierung die Speerspitze derer, die den Ländern im Süden der Eurozone drakonische Sparmaßnahmen verordnen; die haben die Volkswirtschaften aber nun schon über Jahre immer weiter ins Minus rutschen lassen und so erst für die hohe Arbeitslosigkeit, besonders unter den Jugendlichen, gesorgt und die Menschen in Armut, Perspektivlosigkeit und Verzweiflung getrieben; und jetzt hat von der Leyen keine größere Sorge, als auch diese Situation noch zum Vorteil der deutschen Wirtschaft zu nutzen. Als ob dies nicht schon zynisch genug wäre, stilisiert von der Leyen sich auch noch als Mutter Theresa des europäischen Arbeitsmarktes, indem sie ihren durchsichtigen Vorschlag mit den Worten garniert: die Jugendlichen aus Spanien oder Griechenland könnten endlich ins Arbeitsleben starten. Ein unerhörter Vorgang. Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich sollte die Beschäftigung von Jugendlichen, wie Arbeitnehmern überhaupt aus Griechenland, Spanien und anderen Ländern in Deutschland willkommen sein, wie auch umgekehrt, aber der Ansatz der Bundesarbeitsministerin lässt jede Ursachenanalyse der Eurokrise vermissen und kann daher auch keine tragfähige Lösung aufzeigen. Allzu offensichtlich ist von der Leyens Ausgangspunkt das einseitige Interesse der deutschen Wirtschaft, nicht aber das europäische Gemeinwohl.
Wenn die Bundesregierung den Arbeitsmarkt beleben möchte, sollte sie darauf drängen, das Wachstum nicht weiter durch Ausgabenkürzungen zu schwächen, sondern Investitionen zu finanzieren, soziale Sicherungssysteme nicht abzubauen, sondern auszubauen und vor allem auch in Deutschland die Binnennachfrage nicht länger durch den Abbau staatlicher Leistungen und Lohndumping zu behindern und auf diesem Weg auch von deutscher Seite den Ausgleich der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte zu befördern.
Anmerkung vom 8. April 2012: Siehe dazu zum Beispiel jetzt auch hier: Krise in Portugal: Die Wut der Jugend, zum Prekariat zu gehören
In eigener Sache: Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…
Dieser Text ist mir etwas wert
|
|