Im Gespräch: Hilde Mattheis, Vorsitzende des Forums „DL 21 – Die Linke in der SPD“, Bundestagsabgeordnete, Mitglied im SPD-Parteivorstand, über den Fiskalpakt, Alternativen und die Diskussion darüber in der SPD
Florian Mahler: Kritiker der SPD sehen es schon jetzt als ausgemachte Sache an, dass die SPD unter Frank Steinmeier und Sigmar Gabriel dem Fiskalpakt zustimmt. Was antworten Sie diesen Kritikern?
Hilde Mattheis: Wir brauchen eine möglichst breite Einbeziehung der Partei in die Entscheidung über den Fiskalpakt. Und es gibt die Zusage, dass der Parteikonvent am 16. Juni über den Fiskalpakt berät, aber nicht abschließend berät. Außerdem ist klar: es gibt vor der Sommerpause keinen Entscheidungsdruck. (Anmerkung der Redaktion: Auf dem Bundesparteitag der SPD im Dezember 2011 wurde eine umfangreiche Neuordnung der Entscheidungsstrukturen in der SPD entschieden; u.a. wurde der Parteirat von einem Parteikonvent mit 200 Delegierten abgelöst, der, anders als das alte Gremium, echte Entscheidungskompetenzen hat.)
Sie haben laut Spiegel online ein Basis-Votum in der SPD über den Fiskalpakt vorgeschlagen. Wie genau muss man sich das vorstellen und wie waren die Reaktionen darauf?
Die Reaktionen waren positiv und für viele eine selbstverständliche Forderung. Der Fiskalpakt hat, abgesehen von den Auswirkungen für die Eurozone insgesamt, für Bund, Länder und Kommunen massive, einschneidende Auswirkungen, daher muss die Partei möglichst breit einbezogen werden. Zumindest muss ein Parteikonvent darüber beschließen.
Tauschen Sie sich darüber mit Sigmar Gabriel und Frank Steinmeier aus? Und wie sind die Reaktionen?
Ich gehöre der Fraktion und dem Bundesvorstand an. Daher ist der Austausch eine Selbstverständlichkeit.
Welche Schritte muss die SPD zur Lösung der Eurokrise vorantreiben? Wie kann ein möglicher Lösungsvorschlag aussehen, mit dem die SPD der Regierung begegnen könnte und gibt es einen Zeitplan für einen solchen Lösungsvorschlag; mit anderen Worten, kann und will die SPD den Fiskalpakt noch verhindern?
An erster Stelle gehört dazu für die DL 21 die Einführung der Finanzmarkttransaktionssteuer. Wenn die internationale Umsetzung nicht möglich ist, muss Europa oder auch Deutschland eigenständig vorweg gehen, um spekulative Finanzgeschäften zu steuern und gleichzeitig den Rahmen staatlicher Handlungsmöglichkeiten zu verbessern.
Wie muss eine weitergehende Regulierung der Finanzmärkte und des Bankensektors aussehen?
Bis heute wurden keine wirkungsvollen Maßnahmen ergriffen, um die Finanzmärkte zu regulieren. Wir wollen einen Rekapitalisierungsmechanismus für Banken in der Krise. Um eine erneute Bankenkrise zu vermeiden, treten wir für das Trennbanksystem ein. Riskante Geschäfte können wir nicht verbieten, aber wir wollen die Absicherung systemisch relevanter Banken, um die Realwirtschaft abzusichern.
Zur Bankenregulierung gehört auch ein europaweites Verbot von Leerverkäufen, ein Ende des spekulativen Rohstoffhandels und die strenge Kontrolle des hochfrequenten Computerhandels. Der Aufbau einer europäischen Ratingagentur ist nach wie vor nötig. Um europaweit tätige und systemrelevante Banken abzusichern, benötigen wir eine harmonisierte europäische Bankenaufsicht.
Den Rettungsmechanismus wollen wir ausbauen und stärken. Gleichzeitig muss mit dem Ausbau der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik auch die Zusammenarbeit beim gemeinsamen Schuldenabbau einhergehen. Dazu gehört unweigerlich auch die Möglichkeit, einen Schuldentilgungsfonds einzurichten oder Eurobonds einzuführen und den ESM mit Banklizenz auszustatten.
Was ist die Alternative zum jetzigen Fiskalpakt?
Der Fiskalpakt in seiner heutigen Form zementiert den Sozialabbau in Europa. Die „Einnahmeseite“ des Fiskalpaktes ist völlig vernachlässigt. Das Merkelsche Mantra „Sparen, Sparen, Sparen“ bedeutet für viele EU-Staaten, dass Sozialleistungen gestrichen und Gehälter gekürzt werden. Statt weiterer Kürzungen benötigen wir einen europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt, der eine ökologisch-nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut, gute Bildung und gute Arbeit ermöglicht und damit das Ziel verfolgt, soziale und kulturelle Teilhabe in allen Ländern Europas zu gewährleisten. Für die dazu nötigen Ausgaben in allen Ländern müssen alle denkbaren Instrumente geprüft werden wie etwa die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe.
Und werden diese Schritte in der SPD genügend breit diskutiert?
Vor der Sommerpause muss über den Fiskalpakt nicht abgestimmt werden, sodass eine breite Diskussion in der Partei und in der Öffentlichkeit geführt werden kann.
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Hilde Mattheis ist auch Erstunterzeichnerin des Aufrufes Farbe bekennen – gegen entwürdigende Hartz IV Sanktionen und für berufliche Förderung – Jetzt hier unterzeichnen bitte!
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