Heute war ich unterwegs als Straßenmusiker. Plötzlich, ich ließ mich wie immer von meiner alten, erfahrenen und ortskundigen Labrador-Hündin durch die Stadt führen, stand ich vor dem Haus der Kanzlerin. Es ist natürlich nicht das Haus der Kanzlerin, womit ich meine: ihr gehört das Haus nicht. Wohl aber wohnt sie darin. Und was lag da näher, ein Lied zur Eurokrise im Repertoire, als dies der Kanzlerin zu singen. So frei Haus, unter ihrem Fenster. Vielleicht würde das ihr Herz öffnen. So meine unschuldigen Gedanken. In diesem Augenblick dachte ich gar nicht daran, dass sie ja zu jenem Zeitpunkt just wegen eben dieser Eurokrise in Mexiko weilte und dort ordentlich die Hucke voll bekam von den anderen neunzehn, sich als wichtigste Industrie- und Schwellenländer dünkenden Staaten. Die ganze Weltwirtschaft würde die Kanzlerin mit ihrer Spardoktrin in den Abgrund reißen! So der allzu berechtigte, aber in Deutschland leider schrecklich unpopuläre Vorwurf. Was Merkel, eisern wie sie eben ist und orchestriert von den deutschen Leidmedien (kein Rechtschreibfehler), da bin ich mir sicher, nicht umstimmen wird. Doch das soll hier nicht Thema sein.
Zunächst noch gestatteten mir die beiden freundlichen Polizisten vor dem Haus der Kanzlerin – es liegt, wie passend, direkt gegenüber dem Pergamon-Museum -, dort ein Lied zu spielen. “Aber bitte nichts politisches”, lautete allerdings die einschränkende Bemerkung schon kurz darauf. Ich sagte etwas von öffentlichem Raum. “Ja, schon, das ist hier öffentlicher Raum, aber…” Nun gut. Wir sind ein freies Land. Dann aber verplauderten ich und mein Begleiter uns mit Lothar de Maizière, dem wir just vor dem Haus der Kanzlerin begegneten, und den meine Labdrador-Hündin aufgrund ihrer gespeicherten Geruchsproben aller ehemals und immer noch prominenten Politiker sofort erkannte (bei ihr garantiert Daten geschützt!). Als ich mich endlich daran machte zu spielen, kam der eine der Polizisten auf mich zu und bat mich, bitte doch besser nicht zu singen: “Wir haben uns grad noch einmal besprochen…” Kurzerhand wurde eine Musikverbotszone vor dem Haus der Kanzlerin eingerichtet. Dabei prangt doch das Emblem “Kunstreich” so einladend an der Fassade. Alles nur Fassade. Ich wollte schon etwas von Sicherheitsrat und fehlendem UNO-Beschluss einwenden, unterließ es dann aber. Das Leben ist nun einmal voller Widersprüche. Die Kanzlerin führt halt ein strenges Regime, auch hier, vor ihrer Haustür, dachte ich und war dankbar, dass ich den Fußgängersteg als freier Mann verlassen durfte. So haben wir notgedrungen mein Griechenlandlied – Die Deutschen sind wieder wer – diesmal auch ohne Militär – gegenüber, auf der anderen Straßenseite, direkt vor dem Pergamon-Museum aufgenommen. An der Stelle, an der ich über die “eiserne Kanzlerin” singe, wird immerhin ihr Domizil eingeblendet. Wie subversiv! Aber darunter ging es nun wirklich nicht. Ich möchte auch noch einmal betonen, dass die Polizisten sehr freundlich waren. Nicht, dass diese noch das gleiche Schicksal durch die Kanzlerin ereilt, wie die Griechen. Die beiden wären, bei weiterem Widerspruch, sicherlich auch nicht minder streng mit mir umgesprungen wie die Kanzlerin mit eben jenen. Und dass die Kanzlerin dies liest, sieht und hört, wenn auch nicht erhört, daran habe ich gar keinen Zweifel.
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