Eurokrise: Kein Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit in Sicht

Der Spiegel berichtet heute online über eine neue Studie zur Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone. Nicht nur zeigt jene Studie nichts “Unerwartetes”, wie der Spiegel meint. Das Unerwartete laut Spiegel: “Die Krisenländer werden im Vergleich zu den Kernländern immer wettbewerbsfähiger.” Auch diese Darstellung ist falsch: “In Irland und Spanien ist durch höhere Effizienz in den Unternehmen vor allem die Produktivität gestiegen.” Vor allem sind nämlich die Löhne gesunken. Die Produktivitätssteigerungen aber sind in Irland und Spanien laut jüngsten Zahlen der EU-Kommission bereits wieder rückläufig. Sie liegen auch weit unter Vorkrisenniveau. Die Löhne in Irland und Spanien wie auch in Griechenland fallen weiter.

Entwicklung der Arbeitsproduktivität 2007 bis 2012 (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Entwicklung der Nominallöhne 2007 bis 2012 (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Entwicklung der Nominallöhne je Beschäftigtem 2007 bis 2012 (Zur Vergrößerung auf die Graphik klicken.)

Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit aber ist, dass die Interpretation des Spiegel, Deutschland habe “seit Beginn der Finanzkrise an Wettbewerbsfähigkeit verloren“, suggeriert, dass die anderen Ländern nun wieder aufholen könnten. Die für die Wettbewerbsfähigkeit maßgebliche gesamtwirtschaftliche Lohnstückkostenentwicklung – und nicht nur die in der Produktion, wie in der Graphik des Spiegel – zeigt aber, dass sich die deutschen Lohnstückkosten immer noch deutlich unter denen der Eurozone insgesamt und denen der Krisenländer bewegen.

Entwicklug der Lohnstückkosten 2007 - 2012 (2000 = 100) (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Dass die Studie – wenn der Spiegel sie richtig wiedergibt – von 2008 ausgeht (2008 = 100), ist insofern problematisch, weil sie damit den bis dahin seit Beginn der Währungsunion summierten Wettbewerbsvorteil Deutschlands ausblendet. Der wird sichtbar, wenn man die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten seit 2000 zugrundelegt (2000 = 100).

Technisch gesprochen: Solange die Linie der für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit relevanten gesamtwirtschaftlichen deutschen Lohnstückkosten unter den Linien der anderen Länder liegt, behält Deutschland einen Wettbewerbsvorteil. Solange sind daher auch die Voraussetzungen nicht gegeben, dass sich die Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Eurozone ausgleichen. Ein Minus in der Leistungsbilanz bedeutet einen entsprechenden Anstieg in der Gesamtverschuldung des betroffenen Landes.

Entwicklung der Leistungsbilanzsalden 2007 bis 2011 (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Das, was bisher an Angleichung bei den Lohnstückkosten erreicht wurde, ist einseitig zu Lasten der Entwicklung und der Entwicklungsaussichten in den Krisenländern gegangen. Um diesen Trend umzukehren und die Konjunktur insgesamt zu beleben, müsste Deutschland Ausgabenüberschüsse bilden und eine Lohnentwicklung anstreben, die die Lohnstückkosten eine Zeitlang über die zwei Prozent Zielinflation der Europäischen Zentralbank hebt, damit der Anpassungsprozess bei der Wettbewerbsfähigkeit nicht weiter einseitig zu Lasten der Entwicklung in den Krisenländern geht und die Konjunktur dort wie in der Eurozone insgesamt nicht weiter belastet.

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