Eurokrise droht sich zur Weltwirtschaftskrise auszuweiten
Dass die Eurokrise die Gefahren für eine Weltwirtschaftskrise in sich trägt, wird immer deutlicher. Ein Blick auf die Welthandelsanteile der verschiedenen Weltregionen und die daraus hervorgehende Bedeutung der Eurozone für die Weltwirtschaft lässt kaum einen anderen Rückschluss zu und wiederlegt “Starökonomen” wie Jim O´Neill, die meinen: “Europa ist nicht die Welt. Und die Bedeutung der Euro-Krise für die Weltwirtschaft wird überschätzt.” Die neuen Absatzzahlen der Autoindustrie – ein wichtiges Konjunkturbarometer für Deutschland, jetzt aber auch Krisenbarometer für die Eurozone und die Weltwirtschaft insgesamt – sind ein aktueller Beleg dafür. Eine Berücksichtigung der Welthandelsanteile lässt den Schluss zu, dass nicht nur Opel und französische Autobauer, sondern auch Riesen wie VW, die über den europäischen Markt hinaus sehr aktiv sind, nicht auf Dauer von den Einbrüchen beim Autoabsatz verschont bleiben.
Warum die Energiewende helfen kann aus der Krise zu kommen
Was hat das alles mit der angestrebten Energiewende in Deutschland zu tun? Zwei Schlussfolgerungen eines einflussreichen Ökonomen seien den folgenden Überlegungen vorangestellt:
“Die Selbstbeschränkung in den eigenen Ausgaben, so wichtig sie als allgemeines Prinzip ist, unterliegt jedoch wieder gewissen Einschränkungen. Würde der Staat sich plötzlich als Auftraggeber in ganz großem Umfang zurückziehen, so würde dies peinliche Schockwirkungen hervorrufen; nur in dem Maße, in dem die private Wirtschaft ihn als Investor ablöst, kann er sich zurückziehen, ohne Rückschlagsgefahren heraufzubeschwören.”
Derselbe Ökonom stellte bereits fünf Jahre zuvor fest:
“Der natürliche Weg zur Überwindung eines wirtschaftlichen und finanziellen Notstandes ist in der kapitalistischen Wirtschaft nicht Einschränkung, sondern Leistungssteigerung.”
Die erste Aussage ist vor dem Hintergrund des Krisenländern wie Griechenland, Portugal, Spanien und Italien oktroyierten Sparkurses, der den Rückzug des Staates “als Auftraggeber in ganz großem Umfang” als wesentlichen Bestandteil der geforderten “Reformen” beinhaltet, unmittelbar einleuchtend – denn wie jetzt schon über einige Jahre nachvollzogen werden kann, ruft dort eben dies jene “peinlichen Schockwirkungen” hervor. So ist die Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen in allen Krisenländern eingebrochen; diese Entwicklung soll laut Angaben der auch 2012 anhalten und sich erst 2013 leicht umkehren. Letzteres wird dann aber wohl nur Ausdruck davon sein, dass schlichtweg keine Basis mehr da ist, um noch weiter zu schrumpfen. Vor diesem Hintergrund ist auch die zweite Aussage des oben zitierten Ökonomen nachvollziehbar.
Dass die Politik der “Einschränkung” dennoch ohne jede Einsicht fortgeführt wird, kann, außer deutschen “Wirtschaftsweisen” und anderen in Deutschland als ökonomische Koryphäen gehandelten Volkswirte sicherlich niemand nachvollziehen – vorausgesetzt, man erklärt dies entsprechend den Menschen, die ja nicht zuletzt von diesen sinnlosen und kontraproduktiven Einschränkungen als erstes durch Arbeitsplatzverlust, sinkende Sozialleistungen oder, als Unternehmer, durch sinkenden Absatz und Umsatzverlusten betroffen sind. Wer soll das aber tun, wenn von der Kanzlerin über die Opposition bis hin zu den Medien tagein tagaus die Einschränkung als Lösung propagiert wird? Sie manifestiert sich in der Schuldenbremse und dem Fiskalpakt.
Vor diesem Problem stand auch jener oben zitierte Ökonom. Es ist Wilhelm Lautenbach, bis zum Beginn des Dritten Reiches in einflussreicher Beamtenstellung im Reichswirtschaftsministerium, der diese Aussagen in den Krisenjahren 1931 und 1936 traf – und damit ziemlich allein dastand (1). Heute ist Lautenbach auch Volkswirten kaum noch bekannt. Seine Überlegungen wären es wert, wieder hervorgeholt zu werden.
Leistungssteigerungen durch Ausgabenüberschüsse
Wie aber nur kann eine Leistungssteigerung gelingen? Ohne die Bildung von Ausgabenüberschüssen – das Gegenteil von Einschränkung -, wird es nicht gehen. Und was liegt näher, als denjenigen dazu zu “verurteilen”, der nun schon seit Jahren im europäischen Währungsraum und in der Weltwirtschaft insgesamt die höchsten Einnahmeüberschüsse erzielt und gleichzeitig das wirtschaftliche Schwergewicht im Euroraum bildet: Deutschland.
Hierzu noch einmal Wilhelm Lautenbach:
“Wir beobachten in der gegenwärtigen Depression – wie übrigens überall und bei jeder Depression -, dass trotz stark gedrosselter Produktion die Unternehmungen ziemlich allgemein unter Absatzmangel leiden und dass infolgedessen die Produktion, in einem scheinbar hoffnungslosen Versuch, sie dem Markt anzupassen, immer weiter eingeschränkt wird.”
Wir können das gerade im Bereich der Autoindustrie, aber auch an den Zusammenbrüchen ganzer Volkswirtschaften im Süden Europas beobachten.
Lautenbach weiter:
“Offensichtlich erreicht die fortgesetzte Drosselung nie das angestrebte Ziel, sondern reproduziert das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt nur immer wieder auf tieferem Niveau. Was sonst von Wirtschaftspolitikern im Interesse eines gesunden Wachstums der Wirtschaft so sehr gewünscht und erstrebt wird, nämlich Überschuss der Produktion über den laufenden Bedarf = Ersparnis, erscheint hier als ein fatales Krankheitssymptom. Warum? Wir sehen keine andere Antwort als folgende: Weil von ihnen nicht entsprechend Gebrauch gemacht wird, das bedeutet, weil sie nicht für Investitionen nutzbar gemacht werden. Diese Produktionsüberschüsse über den laufenden Bedarf können nur dann im eigentlichen Sinne ´Ersparnisse´ oder ´Sparkapital´ werden, wenn von ihnen auch kapitalmäßig, das heißt durch Verwertung als reales Betriebs- oder Anlagekapital, Gebrauch gemacht wird.”
Lautenbach ließe sich ohne Umstände noch weiter zitieren, um zu durchschlagenden Erkenntnissen zur Überwindung auch der heutigen Wirtschaftskrise zu gelangen. Hier sei aus Platzgründen jedoch nur noch ein Satz aus selbigem Aufsatz zitiert, der ebenso heute geschrieben sein könnte; denn wenn es eine unbedingte Grundlage für die Überwindung der Eurokrise gibt, dann ist es der Ausgleich der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands auf der einen und die Leistungsbilanzdefizite anderer Volkswirtschaften auf der anderen Seite. Ohne dies können Defizite und die aus ihnen hervorgehenden Schulden nicht nachhaltig abgebaut werden.
“Sobald aber Deutschland im Verlauf der ansteigenden Konjunktur wieder mehr importiert, gewinnt das Ausland, selbst durch die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes, für seine Produktion eine Vermehrung seiner Absatzmöglichkeiten.”
Es liegt auf der Hand, dass allein aufgrund dieses Zusammenhangs und der hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands ein Großteil der Verantwortung für die Lösung der Eurokrise in den Händen der deutschen Wirtschaftspolitik liegt. In den Köpfen der Verantwortlichen – Regierung wie Opposition – scheint dies allerdings noch nicht verstanden.
Die Energiewende – Problem und Lösung
Kaum ist die Energiewende beschlossen, wird sie auch schon wieder in Frage gestellt – und zwar nicht von der Opposition, sondern von der Regierung. So meldet der Deutschlandfunk am 18. Juli in seinen 10-Uhr-Nachrichten:
“Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Vaatz, hält die Energiewende für nicht umsetzbar. Vaatz sagte im Deutschlandfunk, Deutschland verfüge nicht im Entferntesten über die Kapazitäten für die benötigten Stromspeicher. Zudem würden in den kommenden Jahren die Strompreise um 30 bis 50 Prozent steigen. Der frühere Umweltminister Töpfer warnte die Bundesregierung dagegen vor einem Abrücken von der Energiewende. Der Umbau der Stromversorgung hin zu regenerativen Energien sei machbar, sagte Töpfer der “Süddeutschen Zeitung”. Es sei Aufgabe der Politik, Probleme zu lösen, betonte der CDU-Politiker. Alles andere wäre ein Verzicht auf Gestaltung.”
In dieser Nachricht liegen Problem und Lösung direkt nebeneinander. Wenn eine Volkswirtschaft nicht “über die Kapazitäten” für eine für notwendig erachtete Entwicklung verfügt, muss sie investieren; zunächst in Forschung und Entwicklung und schließlich in die Produktion. Wer, wie Vaatz es tut, von der Gegenwart auf die Zukunft schließt, dem ist dieser Weg von vornherein versperrt. Wer, wie Töpfer es tut, den Umbau und die Gestaltung einfordert, dem steht dieser Weg offen.
Würde über Töpfers Position Einvernehmen erzielt, würde die eigentliche Arbeit erst beginnen. Ministerien müssten die Ausgaben- und Zeitpläne mit den Voraussetzungen in Forschung und Entwicklung und der produzierenden Wirtschaft abstimmen und die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einschätzen.
Eines aber steht jetzt schon fest: Ein solch ehrgeiziges Projekt wird nicht ohne eine Ausweitung des Kredits, ohne Ausgabenüberschüsse zu verwirklichen sein. Das aber wäre ja vor dem Hintergrund der Eurokrise gerade wünschenswert. Auch hierfür müssen die Bedingungen sorgfältig geprüft werden.
Hierzu lohnte es sich wahrscheinlich eine eigene Kommission einzusetzen, die alle Seiten des Geschäfts in der Lage ist zusammenzuführen und den Sachverstand dafür zu bündeln. Nicht auszudenken, was solch eine Aktivität allein psychologisch bei Arbeitnehmern und Unternehmen hervorrufen würde; erscheint eines dabei doch sicher, die Chancen auf Aufträge, Absatz und Arbeitsplätze nähmen zu – und dass nicht nur in Deutschland.
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(1) Wilhelm Lautenbach, Zins / Kredit und Produktion, herausgegeben von Wolfgang Stützel, mit einem Vorwort von Wilhelm Röpke, Tübingen 1952
Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine
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