“Eigentlich beginnt das Endspiel um Griechenland und möglicherweise auch um die Eurozone erst im September…”, so Theo Geers im Deutschlandfunk heute in den Informationen am Mittag. Der Titel seines Berichts:
“Griechenland: Auftakt zur voraussichtlich letzten Runde.” (mp3. zum Nachhören)
“Wieder einmal hat die Regierung in Athen ihre Zwischenziele verfehlt und Zusagen nicht eingehalten…”, so Theo Geers weiter. Und: “Zu oft wurde bei Griechenland das berühmte Auge zugedrückt. Das erklärt, warum am Samstag Finanzminister Schäuble, am Sonntag Unionsfraktionschef Kauder und heute Morgen im Deutschlandfunk Steffen Kampeter, parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, so darauf pochen, dass Griechenland erst einmal seine Zusagen einhält.”
In Wahrheit erklärt das gar nichts. Das ist keine Ursachenanalyse, sondern eine einzige Anklage, die, wenn sie überzeugen soll, hätte auch begründet werden müssen und nicht hätte einfach auf interessengeleitete Positionen von Regierungsmitgliedern referieren dürfen. Das kann der Pressesprecher der Bundesregierung so machen, was immer noch einer intellektuellen und politischen Bankrotterklärung gleich kommt, ein seriöser Journalist aber sicher nicht!
Im Anschluss an diese völlig einseitig aus dem Blickwinkel der deutschen Bundesregierung – und im Allgemeinen leider auch der deutschen Medien – vorgetragenen Berichterstattung, kommt noch einmal ausführlich Steffen Kampeter zu Wort: „Griechenland muss vertragstreu bleiben, wenn es Abweichungen gibt, müssen diese kompensiert werden.“
Hätte Theo Geers – immerhin ist er “Korrespondent für Wirtschaft und Finanzen in Berlin” und hat Volkswirtschaft studiert – sich auch nur im Ansatz ein eigenes Bild von der aktuellen Lage und den Ursachen der Eurokrise gemacht – Zeit genug hatte er ja – hätte er dieses einseitige Schmierenstück, das allein gegenüber Griechenland mit erhobenem Zeigefinger auftritt, wohl kaum so gestaltet. Da ist sie wieder, die – wie es Heiner Flassbeck erst jüngst im Gespräch mit Wirtschaft und Gesellschaft genannt hat – „politische Kultur“, die „ins Unterirdische abgeglitten“ ist.
Nicht zu fassen, dass zum wiederholten Mal und in diesem Fall auch noch in gehobener, satt bezahlter Stellung, ein Deutschlandfunk-Journalist eine Arbeit auf Stammtischniveau abliefert und die Zuhörer verdummt.
Geers nach den Ausführungen Kampeters weiter: “Tatsächlich ist die griechische Regierung wegen der vielen gebrochenen Zusagen und wegen der schleppenden Umsetzung der Auflagen bei vielen in Berlin unten durch. Für weitere oder abermalige Zugeständnisse ist es deshalb nicht die Zeit.“
Weder erzählt Theo Geers irgendetwas darüber, welche Zusagen denn die griechische Regierung gebrochen haben soll, noch hinterfragt er, wenn dies denn der Fall gewesen sein sollte, wie er es einfach behauptet und wahrscheinlich von irgendwoher ungeprüft nachplappert, warum die griechische Regierung denn vielleicht Zusagen gerbrochen hat; es könnte ja sein, dass die erzwungenen Maßnahmen und Ziele nicht umsetzbar waren, weil sie katastrophale Folgen schon soweit sie umgesetzt wurden gezeitigt haben! So sind es denn auch nicht „ihre Zwischenziele“, wie Geers einleitend feststellt, sondern die Regierung in Athen hat sich den Maßnahmen und Zielen der EU-Troika und der von Deutschland maßgeblich diktierten Politik beugen müssen.
Und dann wird natürlich noch Max Otte zitiert, der Deutschlandradiokultur heute ebenfalls ein Interview gab und darin für den Austritt Griechenlands aus der Eurozone plädierte. Nicht einmal hinterfragt Geers diesen asozialen Budenzauber oder lässt zumindest eine andere Stimme, ein anderes Argument, einen anderen Blickwinkel zu Wort kommen.
Willy Steul muss sich erneut fragen lassen, was bloß aus dem Deutschlandfunk geworden ist; die Polit- und Wirtschaftsredaktion ist nicht nur beim Thema Eurokrise, sondern auch in vielen anderen sozial- und wirtschaftspolitischen Themenfeldern zu einem reinen Sprachrohr der ideologisch bornierten Positionen der Bundesregierung und anderer einseitiger und unkritischer Gesprächspartner verkommen. Meinungsvielfalt und informativer Journalismus geht anders.
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