Wer noch daran zweifelte, dass das Interesse an Kultur auch eine Frage des Geldbeutels ist, der hätte sich am vergangenen Sonntag überzeugen können. Vor dem Bode-Museum in Berlin. Dort präsentiert Clärchens Ballhaus im Sommer klassische Musik. An jenem Sonntag das Atrium Ensemble, das die Zuhörer mit vierstimmigen Gesang zu einem Ausflug in die Romantik einlud.
Und es war voll, sehr voll. Bis auf die Monbijoubrücke, die an dieser Stelle die Ufer der Spree und die Museumsinsel verbindet, saß und stand das Publikum und lauschte verträumt den Liedern Franz Schuberts, Felix Mendelssohn Bartholdys, Johannes Brahms, Friedrich Silchers und anderen.
Und das umsonst bzw. konnten die, die es sich leisten konnten und wollten spenden. Legère und doch zivil setzten sich die Reihen der Zuhörer aus allen Altersklassen und vielleicht auch Einkommensklassen zusammen. Wie sehr würde man sich dies doch auch in anderen Kulturbereichen wünschen, oder auch nur im Alltag, in Wohnvierteln, Schulklassen, Kindergärten und Altersheimen, wo es eben der Geldbeutel ist, der nicht zuletzt über das das soziale Gefüge entscheidet und allzu häufig ausgrenzt, den Zugang versperrt.
Wie friedlich und ausgeglichen die Welt doch an jenem Abend wirkte. Wieviele der Anwesenden sich wohl hinausgezogen fühlten aus dem Alltag, grad so wie es in Schuberts frohem Wandersmann gesungen wurde:
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.
Und wie häufig ist es nicht die Trägheit, sondern materielle Armut, die die Menschen zu Hause hält. Und wie wünschenswert wäre daher eine Kulturpolitik für alle; wie viel wünschenswerter wäre es noch, wenn Armut als Ausschlusskriterium nicht nur von Kultur, sondern vom gesellschaftlichen Leben insgesamt endlich ernst genommen würde und sich Politik ihrer Überwindung annähme, anstatt die Kluft durch Gesetzgebungen nur noch weiter zu vergrößern, wie wir es seit vielen Jahren beobachten und wovon Statistiken und Studien immer wieder neu Zeugnis geben?
Romantik statt “Reformen”, Liebe zu den Menschen statt eine billige Politik nach Zahlen, die Mensch und Gesellschaft längst teuer zu stehen kommt.
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