Bisher hat die Bundesregierung immer gern auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) verwiesen. Die Politik des knappen Geldes, die einseitige Ausrichtung auf das Ziel der Preisstabilität mit der diese Institution in die Fußstapfen der dogmatischen Deutschen Bundesbank gedrängt wurde, das alles war im Sinne der strengen “Gürtel-enger-schnallen-Politik” der Bundesregierung – und leider auch ihrer Vorgänger.
Seitdem aber Meldungen kursieren, dass die EZB Ihre Politik nach einem Zinsziel bzw. einer Zinsschwelle ausrichten könnte, die für Entspannung in den von spekulativ hohen Zinsen für Staatsanleihen geplagten Ländern sorgen würden, liegen die Nerven blank. Der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, ist völlig aus dem Häuschen und versucht in verdrehten Sätzen Widerspruch an der möglichen Kehrtwende bei der EZB zu äußern. Auch aus Richtung der Deutschen Bundesbank sollen schon warnende Stimmen, wenn nicht Protest geäußert worden sein.
Das Erfreuliche daran: Die Bundesregierung zeigt ihr wahres Gesicht: Ideologie geht immer noch vor. Und: Die EZB weist die Bundesregierung ganz offen in die Schranken.
Der Vorschlag selbst wiederum ist nur für die EZB neu. Der Ökonom Stephan Schulmeister fordert dies bereits sein einigen Jahren und hat die Bedeutung des Verhältnisses von Zinsen und Wirtschaftswachstum gerade noch einmal vor wenigen Tagen im Gespräch mit Wirtschaft und Gesellschaft erklärt:
Stephan Schulmeister im Gespräch mit Wirtschaft und Gesellschaft:
“Also, was würde ich konkret vorschlagen: Punkt eins, der Zinssatz muss mittelfristig unter der Wachstumsrate liegen, um Realinvestitionen rentabel zu machen. In Europa ist die Krise dadurch so verschärft worden, dass die Zinsen für Staatsanleihen immer mehr auseinandergelaufen sind. Das ist auch politisch Dynamit für die europäische Einigung. Daher fordere ich die Gründung eines europäischen Währungsfonds, der wie die Bundesfinanzagentur, aber auf Euroebene, die Finanzierung der Eurostaaten in die Hand nimmt, indem er – und hier gehe ich viel weiter als alle bisherigen Vorschläge – Eurobonds zu festen Zinssätzen unter der Wachstumsrate begibt. Das ist eine ganz klare, wenn auch radikale Maßnahme. Die Finanzierung der Staaten darf nicht mehr über den Markt erfolgen, weil der so genannte Markt erwiesenermaßen Zinssätze gebildet hat, die mit den Grundannahmen der Wirtschaftstheorie logisch nicht kompatibel sind. Es ist klar, dass ein Land wie Spanien oder Italien nicht sechs oder sieben Prozent Zinsen zahlen kann.”
Würde die EZB tatsächlich Zinsziele für Anleihekäufe festlegen und durchsetzen, dann wäre dies ein Schritt in die von Schulmeister aufgezeigte Richtung.
—
Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine
Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…
Dieser Text ist mir etwas wert
|
|