“Denn es findet im Moment eigentlich auch zwischen den USA und dem Euro-Raum sozusagen auch ein kleiner Inflationswettlauf statt. Der ist zwar noch nicht wirklich ausgebrochen, aber die Geldmengenausweitungen werden da irgendwann mal hinführen.” Originalton des Ökonomen Max Otte heute bei Deutschlandradio Kultur. Also: Findet der “kleine Inflationswettlauf” nun “im Moment statt”, oder ist er “zwar noch nicht wirklich ausgebrochen”? Wann aber ist “irgendwann”? Und ist der zwingende Zusammenhang von Geldmengenausweitungen und Inflation nicht längst widerlegt?
Zunächst stehen die in Deutschland immer wieder und jetzt im Rahmen der Eurokrise im besonderen geschürten Inflationsängste in krassem Widerspruch zu vergangenen, aktuellen und absehbaren Preissteigerungen, vergleicht man die Zeit seit den späten 1990er Jahren bis heute mit der Zeit seit den 1960er Jahren bis Ende der 1990er Jahre. Wenn etwas unsere Zeit kennzeichnet, dann sind es ausgeprägt niedrige Preissteigerungsraten.
Die Bank of England zum Beispiel – das Pendant zur Deutschen Bundesbank – hält zum Zusammenhang von Geldmenge und Inflation nüchtern fest:
“Although money and inflation are clearly linked over the longer term, the usefulness of money as an indicator of inflationary pressures in the short to medium term depends on there being a predictable relationship between money and the value of spending. For example, suppose money grew at the same rate as the value of spending over time.”
Frei übersetzt:
“Obwohl Geldmenge und Inflation langfristig klar miteinander in Beziehung stehen, ist die Aussagekraft der Geldmenge als Indikator für Inflationsdruck in der kurzen und mittleren Frist davon abhängig, ob ein vorhersehbarer Zusammenhang zwischen Geldmenge und Ausgabenentwicklung besteht…”
Dass aber aktuell und in absehbarer Zukunft die Ausgaben in der Eurozone und auch in Deutschland mit der Geldmenge wachsen, ist nahezu ausgeschlossen, weil die Politik in der Eurozone, insbesondere in Deutschland, auf Ausgabenkürzungen ausgerichtet ist. Mit anderen Worten: Es besteht (leider) wenig Aussicht, dass die von Otte thematisierte Geldmengenausweitung auch nachfragewirksam wird. Wenn Otte also nicht primitiv an die Urangst der Deutschen vor Hyperinflation appellieren wollte, sondern an eine real drohende Gefahr, hätte er dies thematisieren und wenn möglich mit Zahlen fundieren müssen – und wäre womöglich zu anderen, wenn nicht gegenteiligen Ergebnissen gelangt.
Die in der Eurozone um sich greifende Rezession deutet jedenfalls eher auf das Gegenteil von Inflation hin, und die ist nun – wie wir durch bittere historische Erfahrung im Deutschland der 1930er Jahre und danach wissen und wie auch die Entwicklung in Japan seit langem aufzeigt – wirklich schwierig zu bekämpfen: die Deflation.
Aber wer wie Otte meint, mit dem Austritt Griechenlands hätte sich das Problem der Eurokrise erledigt, ist im Grunde ohnehin nicht wirklich ernst zu nehmen. Inflationsängste zu schüren, um auf den Austritt Griechenlands zu dringen ist weder ökonomisch seriös noch politisch verantwortlich.
Max Otte:
“Aber man muss ja die Hoffnung nicht aufgeben, ich hoffe wirklich inbrünstig, dass wir jetzt irgendwann zu einem Grexit, einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kommen werden. Denn dann wird die europäische Polit-Elite merken, dass es so schlimm gar nicht ist, im Gegenteil, wahrscheinlich haben sich die Märkte sofort wieder beruhigt.”
Max Otte ist ein weiteres Beispiel für die Oberflächlichkeit und politische Verantwortungslosigkeit, die in der deutschen Wirtschaftswissenschaft tonangebend ist.
Die Bank of England kommt hinsichtlich des Zusammenhangs von Geldmenge und Inflation jedenfalls zu dem Schluss:
“In practice, however, the relationship between money and inflation has not been stable. Money growth has been influenced by many other factors…So rules of thumb like the one above have not usually been useful guides for policy.”
Frei übersetzt:
In der Praxis jedoch war der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation nicht stabil. Das Geldmengenwachstum wurde von vielen anderen Faktoren beeinflusst…Daumenregeln waren in der Regel keine guten Richtlinien für Politik.”
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