Wie gefangen die deutsche politische Elite in ihren längst überkommenen und widerlegten Denkmustern ist, zeigen auch die aktuellen Nachrichten über Bundespräsident Gauck. Der Deutschlandfunk meldet heute:
“Sonntag, 30. September 2012 13:00 Uhr
Bundespräsident Gauck verlangt Respekt gegenüber Griechenland
Bundespräsident Gauck hat in der Schuldenkrise einen respektvollen Umgang mit Griechenland angemahnt. Keine Nation lasse sich gerne von einer anderen belehren, schon gar nicht von einer, die früher über sie hergefallen sei, sagte Gauck im Deutschlandfunk. Er nannte es hilfreich, wenn Deutschland in Europa Verantwortung übernehme und seine Erfahrungen einbringe. Entscheidend für einen Ausweg aus der griechischen Finanzkrise sei aber, dass innerhalb des Landes ein Diskurs über die erforderlichen Strukturreformen in Gang komme. An die Parlamentarier appellierte der Bundespräsident, ihre Europapolitik besser zu erklären. In Zeiten der Verunsicherung müsse die Politik den Bürgern ihr Handeln verdeutlichen.”
Gauck macht darauf aufmerksam, dass sich keine Nation gern belehren lasse. Dem ließe sich allein schon entgegenhalten: Warum nicht? Wenn die Belehrung schlüssig und hilfreich ist. Dann aber handelt Gauck seiner Aussage selbst zuwider, indem er belehrt: “Entscheidend für einen Ausweg aus der griechischen Finanzkrise sei aber, dass innerhalb des Landes ein Diskurs über die erforderlichen Strukturreformen in Gang komme.”
Damit spricht er unmissverständlich aus, dass Griechenland die vor allem von Deutschland und der EU-Troika aufgezwungenen “Strukturreformen” – ein zynischer Euphemismus für Sozialabbau und Massenentlassungen – folgen muss, dass sie “erforderlich” seien; das zu verstehen aber möchte er großzügigerweise den Griechen selbst überlassen. Warum diese “Strukturreformen” erforderlich sein sollen, muss in Deutschland seit langem schon nicht mehr begründet werden, musste es im Grunde noch nie – konnte es auch nicht! Und wie schon zu Zeiten Gerhard Schröders und seiner Agenda 2010 – und es geht bei den Strukturreformen im Kern um nichts anderes, als dass die anderen Länder der Eurozone Deutschland dahingehend folgen sollen – ist es für Gauck ein Vermittlungsproblem.
Die Menschen, die jetzt in Griechenland, Portugal, Spanien und Frankreich auf die Straße gehen, verstehen wieder einmal nicht, worum es geht, sind etwas schwer von Begriff, wenn es nach Gauck geht. So war und ist es auch bei der Agenda-Politik in Deutschland. So kann SPD-Chef Gabriel entgegen aller Fakten behaupten, Deutschland könne sich ein höheres Rentenniveu nicht leisten; der neue Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, sagte zu einem höheren Rentenniveau erst vor wenigen Tagen: “Das wäre tödlich.”
Und so bleibt es dabei: Die deutsche Elite versteht die Krise nicht, meint aber sie zu verstehen. Daraus folgt natürlich, dass das ganze ein Vermittlungsproblem ist. Und das mögliche Ende von dieser Geschicht – wenn die Deutschen nicht doch endlich anfangen nachzudenken: Das überlebt der Euro nicht!
Hintergrund: Eurokrise offenbart Scheitern deutscher “Reformpolitik”
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