Der Spiegel ist gewissermaßen das Flagschiff – leider nicht die Arche Noah – der Wirtschaftsidiotie, die im Fahrwasser deutscher Leitmedien kreuzt und immer volle Fahrt voraus neoliberalen Kurs hält. Wirtschaft und Gesellschaft ist mittlerweile eine wahre Fundgrube mit Beiträgen über dieses Phänomen. Höchste Zeit im Grunde genommen, eine eigene Kategorie hierfür anzulegen. Soeben berichtet Spiegel online: “Stimmung in der Wirtschaft bricht überraschend ein”. Die Idiotie äußert sich in dem Wort “überraschend”, das immer dann ertönt, wenn es entgegen den Jubelmeldungen und der Hofberichterstattung des Spiegels für die deutsche Wirtschaft ökonomisch bergab geht. So ungefähr müssen sich die alten Kapitäne auf hoher See gefühlt haben, wenn sich nach dem wiederholten und euphorischen Ruf “Land in Sicht” doch wieder herausstellte, dass es sich um eine Fata Morgana gehandelt hatte. Wahrscheinlich hat der Spiegel längst eine Algorithmus programmiert: “Minus” folgt “überraschend”.
Leider steht der Spiegel damit nicht allein da. Selbst hochwertigere Medien, wie der Deutschlandfunk, wobei sich hochwertig ausdrücklich nicht auf die Wirtschaftsredaktion bezieht, sind in dieser Hinsicht keinen Deut besser. So ging auch die Börsenberichterstattung, deren dummes Geschwätz jeder Hörer des Deutschlandfunks am frühen Morgen über sich ergehen lassen muss, von einer Verbesserung des Ifo-Index aus. Erst recht nicht fehlen in diesem Kanon darf die Süddeutsche Zeitung, denn sie ist an Einseitigkeit und Engstirnigkeit bei der Wirtschaftsanalyse wohl kaum zu toppen. So heißt es dann auch dort unisono: “Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der wichtigste Gradmesser für die Konjunktur, ist im September überrraschend gesunken. Experten hatten mit einer leichten Erholung gerechnet.” “Überraschend”! “Experten”! Ob den Redakteuren nicht vielleicht doch mal ein Licht aufgeht? Das ist wohl ausgeschlossen und würde einen kompletten Austausch des Personals voraussetzen.
Wer aber so die Wirtschaft analysiert, wie es deutsche Wirtschaftsredaktionen nun einmal unternehmen – Sparen ist notwendig und gut; die Ausgabenkürzungen in den Euroländern das Maß aller Dinge – kann natürlich nicht begreifen, dass dies schlussendlich auch die deutschen Unternehmen treffen muss, von denen gerade die Industrieunternehmen immer abhängiger von der Exportentwicklung geworden sind.
“Offenbar zeigen sich die Unternehmen von den Entscheidungen der EZB und zum ESM-Rettungsschirm nicht beeindruckt”, zitiert Spiegel online die Helaba-”Analystin” Viola Julien. Warum aber sollten sich die Unternehmen auch vom Anleiheaufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank und vom ESM-Rettungsschirm “beeindruckt” zeigen; sind der Ankauf von Staatsanleihen und der ESM-Rettungsschirm doch an eben jene Sparauflagen geknüpft, die die Konjunktur in der Eurozone und längst auch darüber hinaus nach unten ziehen.
Die deutschen Wirtschaftsredaktionen, dafür ist das mediale Drumherum zum Ifo-Index nun wirklich ein gutes Barometer, sind zu ökonomischen Klippschulen verkommen. Wenn die Herausgeber das ändern wollen, können sie gern einmal bei Wirtschaft und Gesellschaft anfragen. Billig würde dies nicht, aber wie heißt es so schön: “There is no free lunch.” Und der ein oder andere Chefredakteur und Ressortleiter ließe sich dadurch ganz sicherlich einsparen. Anfragen können Sie an info@wirtschaftundgesellschaft.de richten.
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