Gestern auf dem Weg zur Buchhandlung kommt mir ein Abgeordneter auf dem Fahrrad entgegen – auf dem Fußweg; was ich überhaupt nicht schlimm finde, auf dem Fußweg Fahrrad zu fahren, den Abgeordneten schon. Geschickt weicht meine betagte Labrador-Hündin, die mich wie immer begleitet, zur Seite. Ich schaue dem Abgeordneten direkt in die Augen, er mir auch, aber nur kurz und blickt dann schnell zur Seite. Vielleicht weiß er ja warum.
Wie unscheinbar viele Politiker doch wirken, wenn sie sich gerade einmal nicht aufgeblasen unter ihresgleichen bewegen, wo sie das Über-Jemanden-Reden nach Herzenslust pflegen, Lügen und Intrigen inbegriffen, das Miteinander-Reden aber scheuen. Die einzig positive Tat einiger Bundestagsabgeordneter scheint wirklich zu sein, dass sie früher oder später die politische Bühne auch wieder verlassen.
Apropos: Einmal, vor einigen Jahren schon, Winter 2005 war es, genau, ich ging gerade beim ARD-Hauptstadtstudio vorbei, und wer kam mir entgegen? Das Männchen Gerhard Schröder, heute auch Altkanzler genannt, versunken zwischen zwei hünenhaften Leibwächtern. Wie ein Schatten seiner selbst, irgendwie gar nicht anwesend erschien er mir. Vielleicht hatte er die Nacht davor ja schlecht geträumt – von Hartz IV und Armutsrenten. Wenn er schon im wachen Zustand diesbezüglich keine Gewissensbisse kennt, dann vielleicht ja wenigstens im Schlaf.
Ist es nicht überhaupt erstaunlich, wieviel Berührungsängste deutsche Politiker mit der Bevölkerung haben; am laufenden Band stoppen Motorradstaffeln der Polizei den Verkehr, um irgendwelche Politiker in schwarzen Limousinen mit abgedunkelten Fenstern hindurchzulotsen. Dagegen wirkt die jüngste Marslandung schon fast persönlich – und dass, obwohl gar kein Mensch mit von der Partie ist.
Sicherheit, gut und schön, aber muss es den Politikern nicht zu denken geben, dass sie sich nicht wie normale Menschen durch den Verkehr bewegen können? Eine Ausnahme fällt dabei heraus: Es ist Hans-Christian Ströbele, der vielleicht als einziger Abgeordneter regelmäßig, wirklich regelmäßig, sein altes klappriges Fahrrad im Regierungsviertel durch den Verkehr steuert. Er benutzt übrigens immer die Straße. Bei ihm würde ich mir nun allerdings wünschen, dass er den Fußweg benutzt! Richtig entspannt kann man ihm dabei nämlich nicht zusehen: Sein Kopf ist beim Radfahren, so scheint es mir zumindest, nie auf die Straße gerichtet, sondern er blickt immer um sich und weckt dabei den Eindruck, als suche er in den Gesichtern der anderen Verkehrsteilnehmer, ob sie ihn denn erkennen würden, ihn, den Hans-Christian Ströbele.
Wie oft musste ich schon, an sich jedesmal, wenn ich ihn so Schaulaufen, entschuldigung, Radfahren sehe, denken: Mein Gott, gleich setzt er sein Fahrrad gegen die Ampel oder sonstwohin. Aber er hat es noch jedesmal geschafft, sicher in den Bundestag zu gelangen. Das wünsche ich ihm auch weiterhin. Ist er doch einer der wenigen Politiker, die, wenn auch in engen Grenzen, hier und da noch etwas querdenken. Da kann man über so viel unbefangen ausgestrahlte Eitelkeit doch gern hinwegsehen.
Schließlich, als ich heute, wie jeden Morgen, die Spree hinauf und hinunter lief, wiederum mit meiner lieben Labrador-Hündin, begegnete mir der SPD-Politiker Sebastian Edathy, der seinerseits seinen Hund mit sich führte – oder dieser ihn? Nun gut, meine Hündin ist schließlich auch läufig zur Zeit, und da gibt es für einen vierjährigen Rüden natürlich kein Halten. Eine nette Begegnung. Wenn ich ihm noch einmal beim morgendlichen Lauf begegne, werde ich ihn wohl einmal um ein Interview bitten. So schlagfertig war ich denn heute zur frühen Stunde doch noch nicht.
Warum nun plötzlich diese steigende Zahl von Abgeordneten im Straßenbild des Regierungsviertels? Ganz einfach: Nächste Woche beginnt wieder die Sitzungszeit, die Sommerpause ist vorüber. Hoffen wir, dass Regierung und Opposition die drängenden Probleme nicht weiter aussitzen in den Sitzungswochen!
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