Wirtschaft und Gesellschaft hat verschiedene Persönlichkeiten in gesellschaftlicher und politischer Verantwortung gebeten, den Entwurf des Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zu kommentieren. Nach Elke Hannack und Christel Humme meldet sich Markus Kurth zu Wort. Er ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher für Sozial- und Behindertenpolitik und Obmann im Bundestagsausschuss Arbeit & Soziales. Markus Kurth ist auch einer der Erstunterzeichner des Aufrufes “Farbe bekennen – gegen entwürdigende Hartz IV Praxis und für berufliche Förderung“.
Am Montag, den 17. September sickerte ein erster Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts durch. Die darin enthaltenen Daten und Zahlen sind alarmierend.
Noch nie in der Geschichte der Berichterstattung klaffte ein solch tiefer Graben zwischen arm und reich wie heute. Während die Reichen immer reicher werden, steigt die Zahl der von Armut betroffenen Personen. Ursula von der Leyen hat dem außer nutzlosen Ankündigungen nichts entgegenzusetzen. Doch sie muss handeln, steht doch nicht weniger als der Zusammenhalt der Gesellschaft auf dem Spiel.
Paket gegen Armut
Wir müssen dringend ein Paket gegen Armut schnüren. Hierzu gehören Mindestlöhne, ein korrekt berechnetes Existenzminimum sowie eine Garantierente. Der Staat ist während der Finanzkrise in Vorleistung gegangen und hat die Vermögen gesichert. Es ist ein Gebot der Fairness, dass sich nun auch die Reichsten der Reichen über eine Vermögensabgabe an den Kosten beteiligen.
Über die in der Öffentlichkeit breit diskutierten Ergebnisse hinaus lohnt ein genauer Blick in die Konzeption des 4. Armuts- und Reichtumsberichts.
Grundsätzlich zielt der Armuts- und Reichtumsbericht darauf ab, sowohl die Öffentlichkeit als auch die Träger der politischen Willensbildung sowie die entsprechenden Institutionen, Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteure über die Verteilung, das Ausmaß und die Dimensionen von Armut und Reichtum in einer bestimmten Gesellschaft zu unterrichten. Der Armuts- und Reichtumsbericht wurde unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführt.
Bundesregierung lenkt von harten Verteilungsfragen ab
In einer Anfrage an die Bundesregierung haben wir schon vor einigen Monaten herausgefunden, dass mit dem so genannten Lebensphasen-Modell ein neuer Schwerpunkt in der Berichterstattung eingeführt wird. Hiernach erhalten persönliche Einstellungen und Motive einen Platz im Bericht. Solche Informationen sind zwar wichtig. Bei einer Überbetonung des Lebensphasen-Modells wird Armut jedoch vorrangig als individuell beeinflussbar gesehen. Entscheidender sind und bleiben indes gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die ganze Gesellschaftsgruppen von der Teilhabe ausschließen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung lenkt von den harten Verteilungsfragen ab, wenn sie ihren Blick auf das Lebensphasen-Modell und Stiftungen richtet.
Wir werden im Rahmen der parlamentarischen und öffentlichen Auseinandersetzung die Konzeption des 4. Armuts- und Reichtumsberichts kritisch begleiten und die Bundesregierung mit unseren Antworten auf die zunehmende Spaltung der Gesellschaft konfrontieren.
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