Der Entwurf des Armutsberichtes der Bundesregierung birgt ein weiteres interessantes Thema: Während die Politik sich in den vergangenen Jahren im Namen der “Haushaltskonsolidierung” zunehmend aus der sozialen Verantwortung gestohlen hat, meint sie dies durch die Arbeit von Stiftungen kompensieren zu können. Bereits in der Legislaturperiode der Großen Koalition aus SPD, CDU/CSU “wurden die spendenrechtlichen Rahmenbedingungen zugunsten von Stiftungen und damit die steuerlichen Anreize für gemeinnütziges Stifterengagement mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements noch einmal erheblich verbessert”, hält die jetzige Bundesregierung im aktuellen Entwurf des Armutsberichts dazu fest.
Im Entwurf des Armutsberichts, heißt es dazu unter anderem weiter:
“Auch das Stiftungswesen ist in Anbetracht der finanziellen Erfordernisse an Stiftungskapitel ein Bereich, in dem das finanzielle und persönliche Engagement Vermögender zum Wohle der Allgemeinheit benötigt wird…
Deutschland braucht aber mehr von diesem sozialen Engagement, sowohl was die finanzielle Seite als auch was das persönliche Engagement anbelangt. Denn die Förderung und Entwicklung von Teilhabechancen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die neben staatlichen Aktivitäten das Engagement der Zivilgesellschaft erfordert. 23 Mio. Menschen sind in Deutschland ehrenamtlich tätig und leisten Großartiges und bauen damit Brücken. Mit ihrem Engagement handeln sie häufig flexibler, kreativer, individueller und zielgenauer als der Staat es könnte und wirken damit nicht selten dort, wo staatliche Leistungen nicht hinreichen…”
Gleichzeitig schreibt die Bundesregierung aber einschränkend:
“Persönliches und finanzielles Engagement zeigen Vermögende bisher aber vorrangig in Sportvereinen (45,2 Prozent) und Berufsverbänden (25,1 Prozent), Heimat- und Bürgervereinen (22,6 Prozent) sowie privaten Klubs (21,6 Prozent). Stiftungen und soziale Initiativen dagegen werden nur von unter fünf Prozent der befragten Vermögenden genannt. Dabei bringt ein finanzielles oder persönliches Engagement für soziale Zwecke in jedem Fall Vorteile – in Form höherer Stabilität und gesellschaftlichen Zusammenhalts, aber auch individueller Befriedigung. Die Bundesregierung ermuntert ausdrücklich zu mehr sozialem Engagement. Staatliches Engagement und bezahlte Arbeit darf nicht durch freiwilliges Engagement ersetzt werden, sondern soll es sinnvoll ergänzen.”
Dennoch will die Bundesregierung sich zukünftig noch weiter auf Stiftungen und bürgerliches Engagement verlassen und zielt auf einen “zusätzlicher Aufbau von Kooperationsinitiativen von staatlichen Stellen und Stiftungen, so zum Beispiel zur Förderung von Bildung und Teilhabe.”
Der sprunghafte Anstieg der Stiftungen ist dabei für sich genommen ein Fieberthermometer für die steigende Einkommens- und Vermögenskonzentration in Deutschland.
“Die Stärken der Stiftungen sind ihre Vernetzung in den lokalen Strukturen und ihre Fähigkeiten, auf die Gegebenheiten vor Ort flexibel eingehen, die Zielgruppen auf Augenhöhe ansprechen und so individuelle Problemlagen und Lösungen berücksichtigen zu können”, schreibt die Bundesregierung an anderer Stelle im Armutsbericht. Das aber kann man genausogut als Eingeständnis lesen, dass dies eben – nicht zuletzt aufgrund fehlender öffentlicher Investitionen, wie sie der Armutsbericht zugleich ausweist – staatliche Institutionen nicht länger leisten, weil sie unterfinanziert sind. Der Armutsbericht ist so gelesen auch ein Armutszeugnis für die jetzige Bundesregierung, aber auch für ihre Vorgänger, die diesen Prozess, sich zunehmend auf private Stiftungen zu stützen, gleichzeitig aber die öffentlichen Institutionen nur ungenügend auszustatten, eingeleitet haben.
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