Der neue Messias oder “Das Leben des Peer”

Um es gleich vorweg zu nehmen: Das von den Medien gehypte Bankenpapier des ehemaligen Finanzministers und jetzigen Bundestagsabgeordneten Peer Steinbrück ist eigentlich lediglich ein Selbstgespräch: Peer Steinbrück erklärt sich fünf Jahre nach der Finanzkrise die Finanzkrise – und wie er sie als Finanzminister mit verursacht hat (was er sich natürlich nicht eingesteht; das bedarf evtl. weiterer fünf Jahre).

Alle Inhalte sind hingegen für jeden einigermaßen informierten Leser alte Hüte und für jeden kritischen Beobachter der Banken und der Finanzmärkte eine politische Selbstverständlichkeit – seit Jahren! Wir müssen sie an dieser Stelle nicht wiederholen; es reicht ja, wenn Steinbrück es tut: Peer Steinbrück, Vertrauen zurück gewinnen: Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte.

Wie drückt es der Theaterregisseur Jürgen Kuttner so treffend aus, der gerade zusammen mit Tom Kühnel am Deutschen Theater in Berlin (gemeint ist hier tatsächlich einmal das Theater und nicht der wenige Meter entfernt liegende Deutsche Bundestag) das Stück “Demokratie” von Michael Frayn auf die Bühne gebracht hat – das sich doch um nichts Geringeres dreht als die Sozialdemokratie: “Heute gibt´s keine Politik mehr, sondern nur noch alternativlose Sacharbeit im Götzendienst am Markt. Also man kann gar nichts mehr machen, es gibt keine Vorstellung, welch Gesellschaft man haben wollte, welche man leben wollte, es geht nur noch darum, auf diesen bösen Götzen Markt aufzupassen, dass er nicht böse wird. Dann ist die Welt schon wieder in Ordnung.” In diesem Sinne geht das Bankenpapier von Steinbrück auch “in Ordnung”.

So ist das eigentlich interessante auch nicht Steinbrücks Bankenpapier, sondern der Umgang der Medien mit Steinbrück. Die Medien wirken, um ein anderes Bild zu bemühen, wie die losgelassene Menschenmenge im Klassiker “Das Leben des Brian” der britischen Komikergruppe Monty Python. Da bieten sich gleich mehrere Parallelen an: Ein farbloser Brian (im “Leben des Peer”: Peer Steinbrück) wird mir nichts dir nichts zum Heilsbringer. Vorher rettet ihn der Lachanfall der Palastgarde (im “Leben des Peer” gespielt durch einige Banker) und ein außerirdisches Raumschiff (im “Leben des Peer” von einigen Spiegel online Journalisten gespielt und gesteuert; auf dem T-Shirt des Autopiloten steht gut lesbar geschrieben: sueddeutsche.de-Wirtschaftsredaktion) vor dem dekadenten Pontius Pilatus (im “Leben des Peer”: “der Markt”, gespielt von Josef Ackermann). Verfolgt von den Truppen Pilatus (im “Leben des Peer” wird hier schlicht Peer Steinbrücks Vergangenheit als Finanzminister in verschiedenen Stationen eingeblendet, die ihn verfolgt; das Stück bekommt dadurch eine psychologische Tiefenwirkung) nimmt Brian auf dem Marktplatz (auch im “Leben des Peer” ein Marktplatz; Peer Steinbrück redet salbungsvoll im “Bürgerdialog” irgendwo in Frankfurt am Main) kurzerhand die Rolle eines Heilsbringers und Propheten ein (im “Leben des Peer” kommt hier sein Bankenpapier ins Spiel), um sich vor seinen Verfolgern (im “Leben des Peer”: immer noch Peer Steinbrücks Vergangenheit) zu tarnen. Die Sätze, die Brian predigt, interessieren die verarmte Masse (im “Leben des Peer” die geistig verarmte Masse der Journalisten) gar nicht, sie jubeln und jubeln; schließlich muss Brian (der anders als “Im Leben des Peer” versucht, vor der Menge zu fliehen, während Steinbrück gerade das Gegenteil unternimmt) nur eine Sandale hochhalten oder auf einen Wacholderbusch zeigen, es hilft alles nichts, jedes Zeichen betrachten seine Anhänger (im “Leben des Peer” wiederum von den Medien gespielt) als ein Wunder! Der Rest ist Geschichte – bzw. Gegenwart. Steinbrück ist der neue Messias – entschuldigung: Kanzlerkandidat der Medien – (noch) nicht der SPD. Ob die Medien, wenn er es denn schließlich wird, ihn dann nicht doch noch – wie Brian im Leben des Brian – ans Kreuz nageln, ist noch offen. Verweilen wir lieber in der überaus interessanten und schon irre genug gewordenen Gegenwart.

Geben Sie doch bitte einmal Steinbrück bei google ein und gehen Sie auf news: 65.700 Ergebnisse. Und jetzt geben Sie einmal den Namen Hilde Mattheis ein, ihres Zeichens Vorsitzende der DL 21, Die Linke in der SPD, die ähnliches wie Steinbrück sicherlich schon vor Jahren gefordert hat: 237 Ergebnisse.Von daher scheint der Twitter von Hilde Mattheis durchaus angemessen:

Damit ist zunächst einmal alles Notwendige zu Monty Python und Peer Steinbrück gesagt: Vielleicht ist der eigentliche Unterschied zwischen diesen beiden der, dass Monty Python gewollt komisch ist, Peer Steinbrück aber sicherlich ungewollt.

Hinweis der Redaktion: Aus rechtlichen Gründen wurde aus dem ursprünglichen Beitrag für diese Fassung eine aus dem Tagesspiegel zitierte Passage gestrichen.

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