Als ich just die Nachrichten im Deutschlandfunk hörte, rief ich mir die Worte Paul Claudels ins Gedächtnis:
“Vergiss nie: Die Wahrheit hat nichts zu tun mit der Zahl derer, die an sie glauben.”
Das ist nach einem Aphorismus von Jürgen Todenhöfer zitiert (Jürgen Todenhöfer, Teile dein Glück und du veränderst die Welt, München 2010). Am Ende heißt es dort:
“Kierkegaard sagte es noch drastischer: Die Wahrheit ist immer in der Minderheit.”
So scheint es auch bei der Beurteilung der Eurokrise.
Heute abend meldete der Deutschlandfunk:
“Freitag, 26. Oktober 2012 18:00 Uhr
Asmussen (EZB) sieht Europa trotz Krise auf gutem Weg
Die Lage der hoch verschuldeten Eurostaaten verbessert sich nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank allmählich. Direktoriumsmitglied Asmussen sagte in einer Rede in Kronberg im Taunus, die meisten Länder seien auf gutem Weg, ihr Haushaltsdefizit bis Ende nächsten Jahres unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Dieser Wert sei deutlich niedriger als etwa der der USA, die auch mit ihrer Gesamtschuldenquote den Euroraum überträfen. Asmussen lobte zudem Griechenland. Athen habe seine Lohnstückkosten seit 2008 gegenüber dem Durchschnitt des Euroraums um sechs Prozentpunkte senken können. Inzwischen konnte sich Italien an den Märkten frisches Kapital zu den günstigsten Konditionen seit März leihen. Für eine zweijährige Anleihe im Volumen von drei Milliarden Euro musste das Land eine Rendite von noch knapp 2,4 Prozent zahlen. Beobachter werten das als gestiegenes Vertrauen bei Anlegern.”
Hierzu hat Heiner Flassbeck in einem Gastkommentar für Wirtschaft und Gesellschaft gerade erst vor wenigen Tagen alles notwendige geschrieben:
Die Bundesregierung sollte im Jahreswirtschaftsbericht von 1999 lesen – Ein Gastkommentar von Heiner Flassbeck zum heute erschienenen Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums
Anlass für seinen Gastkommentar war der aktuelle Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums und ein kritischer Bericht hierzu auf Wirtschaft und Gesellschaft; und, welch Ironie, ist das Bundesfinanzministerium doch der ehemalige Arbeitgeber von Jörg Asmussen.
Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen zeigt einseitige Belastung der Krisenländer und täuscht mit neuem Basisjahr über den kumulierten Wettbewerbsvorteil Deutschlands hinweg
Asmussen stößt mit seiner Argumentation auch ins gleiche Horn wie der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling; auch dazu haben wir bereits kritisch berichtet:
Aktuelle Nachrichten und Hintergrund zur Eurokrise: Chef von Euro-Rettungsschirm verwechselt Ursache und Wirkung – und erweist sich als zynischer Vollzugsbeamter
Eindrucksvoller als die Verantwortlichen in der Eurokrise und die diese zumeist unkritisch begleitenden Medien kann man Claudel und Kierkegaard nun wirklich nicht bestätigen. Leider.
Siehe zu Asmussen und Flassbeck auch:
Wie falsche Vorstellungen uns in die Krise ritten – und immer weiter hineinreiten
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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…
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