Aktuelle Nachrichten und Hintergrund: Einzelhandelsumsätze – Spiegel online feiert mal wieder, obwohl es nichts zu feiern gibt
Einzelhandelsumsätze - September 2012

Wenn man doch jede Meldung von Spiegel online mit einer seriösen Quelle wie der des Statistischen Bundesamtes abgleichen könnte, man würde wahrscheinlich auf noch mehr Unfug stoßen, als ohnehin schon bekannt. Heute hat sich Spiegel online einmal wieder der Einzelhandelsumsätze angenommen und feiert frenetisch, obwohl es gar nichts zu feiern gibt – jedenfalls nicht für den Einzelhandel.

Während das Statistische Bundesamt seine heutige Meldung zu den Einzelhandelsumsätzen mit

“Ein­zel­han­dels­um­satz im Sep­tem­ber 2012 real 3,1 % nied­riger als im Sept­ember 2011“

überschreibt, berichtet Spiegel online über diese amtliche Meldung mit der Überschrift

“Umsätze im Einzelhandel – Deutsche in Kauflaune“.

Während sich das Statistische Bundesamt vor allem auf den Vorjahresvergleich konzentriert,

“Die Einzelhandelsunternehmen in Deutschland setzten nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im September 2012 nominal 0,7 % und real 3,1 % weniger um als im September 2011. Allerdings hatte der September 2012 mit 25 Verkaufstagen einen Verkaufstag weniger als der September 2011. Im Vergleich zu August 2012 ist der Umsatz im September kalender- und saisonbereinigt (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 1,9 % und real um 1,5 % gestiegen.

Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im September 2012 nominal 0,6 % und real 3,4 % weniger um als im September 2011. Dabei lag der Umsatz bei den Supermärkten, SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten ebenfalls nominal 0,6 % und real 3,4 % niedriger als im Vorjahresmonat. Im Facheinzelhandel mit Lebensmitteln wurde nominal 0,4 % und real 3,2 % weniger als im September 2011 umgesetzt.

Auch im Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln lagen die Umsätze im September 2012 nominal und real niedriger als im September 2011 (nominal – 1,3 %, real – 2,9 %). Hier wurde nur im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren nominal (+ 4,9 %) und real (+ 3,0 %) mehr als im Vorjahresmonat abgesetzt.

Von Januar bis September 2012 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 1,9 % mehr und real 0,3 % weniger umgesetzt als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.”

feiert Spiegel online den Anstieg gegenüber Vormonat

“So kräftig sind die Umsätze der deutschen Einzelhändler seit mehr als einem Jahr nicht mehr gestiegen: Im September nahmen sie 1,9 Prozent mehr ein als im Vormonat, preisbereinigt bedeutet das immer noch ein Plus von 1,5 Prozent im Vergleich zum August, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. “Das ist jeweils der größte Zuwachs seit Juni 2011″, sagte ein Statistiker. Damit fällt das Umsatzplus im Einzelhandel überraschend hoch aus. Bankvolkswirte hatten lediglich mit einem preisbereinigten Wachstum knapp über der Null-Prozent-Marke gerechnet.”

Für den Rückgang gegenüber Vorjahr, der dann doch im zweiten Absatz für Ernüchterung sorgen müsste, aber sei

“ein kalendarischer Effekt verantwortlich.”

Das aber geht aus der Meldung des Statistischen Bundesamtes nicht hervor. Das Amt erwähnt zwar, dass der September 2012 einen Verkaufstag weniger hatte als der September 2011, nicht aber, dass dieser allein für den Rückgang verantwortlich zeichnet.

Während das Statistische Bundesamt meldet, dass

“nur im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren nominal (+ 4,9 %) und real (+ 3,0 %) mehr als im Vorjahresmonat abgesetzt”

wurde, jubelt der Spiegel

“Gefragt waren bei den Verbrauchern vor allem Textilien, Bekleidung, Schuhe und Lederwaren. Der Umsatz mit diesen Artikeln zog binnen Jahresfrist um 4,9 Prozent an.”

Schließlich darf bei diesem Ausraster natürlich nicht der Verweis auf die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fehlen, um dem Einzelhandel gleich auch noch eine rosige Zukunft zu prophezeien:

“Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich die positive Lage im Einzelhandel fortsetzt. Die Kauflaune der deutschen Verbraucher ist derzeit so gut wie seit fünf Jahren nicht mehr, fand die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bei ihrer monatlichen Umfrage heraus. Ein Grund dafür sind spürbare Lohnerhöhungen. Die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer erhöhten sich im Juli um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und damit so stark wie seit Oktober 2007 nicht mehr. Damit steigt die Kaufkraft, weil die Preise langsamer steigen. Die Inflationsrate liegt derzeit bei zwei Prozent.”

Das einzig interessante daran: Hier plötzlich wird sich Spiegel online des Zusammenhangs von spürbaren Lohnerhöhungen und Kaufkraft und somit steigenden Einzelhandelsumsätzen bewusst. Wenn er das doch sonst auch im Blick hätte.

Was nun wieder die GfK anbelangt und die tariflichen Monatsverdienste, so ist gehörige Skepsis angebracht; warum, ist hier nachzulesen:

Aktuelle Nachrichten und Hintergrund: Und monatlich grüßt die GfK

Aktuelle Nachrichten und Hintergrund: Tariflohnentwicklung nur sehr bedingt aussagekräftig

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: