Aktuelle Nachrichten und Hintergrund: SPD – Rente – Die einen schaffen Tatsachen, die anderen trotten hinterher
Und was sagt die SPD dazu?

Gerade eben meldet der Deutschlandfunk in seinen 18 Uhr Nachrichten:

“Montag, 29. Oktober 2012 18:00 Uhr

Gabriel: Bundes-SPD übernimmt Renten-Kompromiss des NRW-Landesverbands

In der Diskussion über die Zukunft der gesetzlichen Rente hat die Bundes-SPD den Kompromissvorschlag des nordrhein-westfälischen Landesverbandes angenommen. Das teilte Parteichef Gabriel nach einer Sitzung des Vorstands in Berlin mit. Er sei sicher, dass diese Lösung auf dem kleinen Parteitag am 24. November mit großer Mehrheit gebilligt werde. Nach dem Willen der NRW-SPD soll der Rentenbeitragssatz ab 2014 um 0,2 Prozentpunkte pro Jahr steigen, bis ein Satz von 22 Prozent erreicht ist. Das derzeitige Niveau der gesetzlichen Altersbezüge soll durch besser bezahlte Erwerbstätigkeit und einen flächendeckenden Mindestlohn weitgehend gehalten werden.”

Gerade heute Nachmittag hatte Ursula Engelen-Kefer in einem Gastbeitrag für Wirtschaft und Gesellschaft genau in diese Wunde den Finger gelegt:

SPD: Nebelkerzen um Zukunft der Rente – Ein Gastbeitrag von Ursula Engelen-Kefer

Und in der Tat war es auffallend, wie sich am Wochenende das Renten-”Konzept” der SPD NRW in den Medien durchsetzte – und das zeitgleich verabschiedete der SPD Berlin vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhielt – das auch nicht über das Einfrieren des jetzigen Rentenniveaus, das schon heute für steigende Altersarmut sorgt, hinausgeht, aber immerhin (siehe dazu auch hier: +++SPD Landesparteitag: Ursula Engelen-Kefer hält spontanen Redebeitrag – “Verhinderung des weiteren Absinkens des Rentenniveaus kann nur ein erster Schritt sein”+++).

Bezeichnend für den Prozess ebenfalls sowohl die Moderation als auch die Antworten von Sascha Vogt heute früh im Interview mit dem Deutschlandfunk:

Kein Absenken des gesetzlichen Rentenniveaus heißt für die Deutschlandfunk-Moderatorin, Sylvia Engels, “höhere Beiträge”:

Engels: Das heißt, die Jusos bei Ihnen freuen sich schon darauf, höhere Beiträge zu zahlen?”

Und natürlich darf bei ihr auch nicht fehlen, die Älteren gegen die Jüngeren auszuspielen:

Engels: Auch nicht um die jungen Beitragszahler, die dann möglicherweise doch höhere Rentenbeiträge zahlen müssten? Das können Sie als Chef der Jungsozialisten ja eigentlich nicht fordern.”

Und das Programm für die private Versicherungswirtschaft wäre nicht komplett, wenn dies gefehlt hätte:

“Engels: Aber eine Rückkehr zur Rente mit 65 sei nicht bezahlbar. Das sagt ja nicht nur Herr Müntefering, sondern das sagen auch viele Experten. Haben Sie darauf schon eine Antwort?”

Und dafür zahle ich Rundfunkgebühr! Es ist wirklich zum verzweifeln!

Aber wenigstens zahle ich keine Parteibeiträge. Denn die Antworten Sascha Vogts waren nun nicht gerade dazu geeignet, die Laune über dieses Interview zu steigern:

Vogt: Es gibt niemanden in der SPD, oder nur ganz wenige Leute, die jetzt eine Rückkehr zur Rente mit 65 fordern.”

Na ja, gut und schön. Warum eigentlich nicht, und ist das wirklich so? Und wer hätte auch etwas dagegen, dass Menschen freiwillig länger arbeiten, für gutes Geld und wenn es sie erfüllt, aber doch nicht zu Lasten der gesetzlichen Rente für Menschen, die nicht länger als 65 können und wollen!

Richtig kritisch bzw. unkritisch bezogen auf den Kompromiss der NRW SPD wird es hier:

Engels: Derzeit ist die SPD ja noch nicht ganz einig, in welche Richtung genau ein neues Rentenkonzept ausgehen soll. Es gibt nun einen Kompromiss aus Nordrhein-Westfalen vom Wochenende. Dort hat der Landesparteirat sinngemäß beschlossen, wir lassen das Rentengesetz erst einmal unverändert, setzen aber auf gesetzlichen Mindestlohn und entscheiden dann 2020 über eine Gesetzesänderung, was das Rentenniveau angeht. Sind Sie dabei?

Vogt: Ich freue mich erst mal, dass anscheinend Bewegung in die Debatte kommt und dass anscheinend eine sehr, sehr große Einigkeit in der SPD darüber besteht, dass man das Rentenniveau sichern muss. Das sieht im übrigen auch der Beschluss des Landesverbands Nordrhein-Westfalen vor, ähnlich wie die SPD Berlin es beschlossen hat, wo auch drinsteht, wir wollen das Rentenniveau erst mal sichern. Nun wird es in den nächsten Tagen sicherlich noch im Hintergrund die eine oder andere Diskussion geben. Wir sind der Meinung, wir sollten das Rentenniveau bei den aktuellen rund 50 Prozent einfrieren. Wir entscheiden darüber Ende November auf einem kleinen Parteitag und bis dahin werden wir sehen, wie dann einzelne Maßnahmen zu bewerten sind.

Engels: Der Knackpunkt scheint ja zu sein, wenn man diese 50,4 Prozent des jetzigen Rentenniveaus ungefähr festhalten will – das entspricht dann 50 Prozent des Durchschnittslohns -, dass dann die Frage ja ist, ob man dazu das Gesetz im Falle eines Wahlsieges ändert, oder ob man es erst mal so laufen lässt. Beharren Sie darauf, dass direkt nach einem Regierungswechsel hier wirklich das Rentengesetz geändert wird?

Vogt: Ich halte das für eine technische Frage…”

Wahrscheinlich hat sich Parteichef Gabriel dieses Interview heute früh auch angehört und sich gedacht: Na, wenn das so ist, kann ich ja heute schon Nägel mit Köpfen machen. So wie auf Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft Verlass ist, so ist eben auch auf die Linke in der SPD Verlass. Erstere schaffen Fakten, letztere trotteln hinterher.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: