Die Meldung des Statistischen Bundesamtes durchzog heute den ganzen Tag die Nachrichten:
“Montag, 29. Oktober 2012 18:00 Uhr
Statistik: Tariflöhne mit stärkstem Anstieg seit vier Jahren
In Deutschland sind die Löhne der Arbeitnehmer wegen der guten Konjunktur im Juli deutlich gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, erhöhten sich die tariflichen Monatsverdienste im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,2 Prozent. Das war der stärkste Anstieg seit Oktober 2008. Damals lag das Plus bei 3,4 Prozent. – Am meisten profitierten diesmal die Erzieher in Kindergärten und Krippen, gefolgt vom Verarbeitenden Gewerbe und der öffentlichen Verwaltung.”
So erfreulich diese Meldung ist; erst vor zweieinhalb Wochen veröffentlichte das Statistische Bundesamt diese Pressemitteilung:
“Nach den Angaben des neuen Nominallohnindex hat das Lohngefälle im Zeitraum 2007 bis 2011 zugenommen. Während die Bruttomonatsverdienste aller Arbeitnehmer in diesem Zeitraum um durchschnittlich 9,4 % stiegen, lagen die Verdienststeigerungen der Arbeitnehmer in leitender Stellung (+ 12,4 %) und der herausgehobenen Fachkräfte (+ 9,8 %) über dem Durchschnittswert. Fachkräfte (+ 8,3 %), angelernte Arbeitnehmer (+ 7,1 %) und ungelernte Arbeitnehmer (+ 8,0 %) konnten zwar auch die Steigerung der Verbraucherpreise kompensieren (+ 6,6 %), hatten aber nur unterdurchschnittlich hohe Wachstumsraten.”
Wirtschaft und Gesellschaft hat diese Meldung hier aufgegriffen und problematisiert:
Lohnentwicklung: Deutsches Lohndumping geht weiter, Lohngefälle nimmt weiter zu – neue detailliertere Datenbasis vom Statistischen Bundesamt (mit Berücksichtigung des heute erschienenen Herbstgutachtens)
Ein Blick ins WSI-Tarifarchiv zeigt wiederum, dass die Tarifbindung seit 1998 stark zurückgegangen ist.
Im WSI-Tarifarchiv heißt es dazu:
“Für die Mehrzahl der abhängig Beschäftigten in der Bundesrepublik gilt ein Tarifvertrag. Allerdings ist der Grad der Tarifbindung in den vergangenen Jahren zurückgegangen. In Westdeutschland ist die Tarifbindung stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland.”
Hinzu kommt das Problem, dass mittlerweile Tarifverträge kaum noch für allgemeinverbindlich erklärt werden, also für alle Beschäftigten einer Branche gelten. Das WSI hat hierzu vergangene Woche festgehalten:
“In Deutschland werden Tarifverträge kaum noch allgemeinverbindlich erklärt. Lediglich 1,5 Prozent der Lohn- und Gehaltstarifverträge galten 2011 über eine Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) auch für nicht-tarifgebundene Betriebe. Vor gut 20 Jahren waren es noch knapp sechs Prozent. Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge gelten derzeit nur noch regional begrenzt für insgesamt rund 245.000 Beschäftigte.”
Das war den einschlägigen Nachrichten wiederum keine Meldung wert, relativiert doch aber die heutigen Nachrichten über den Anstieg der Tariflöhne deutlich.
—
Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…
Dieser Text ist mir etwas wert
|
|