Wirtschaft und Gesellschaft hat verschiedene Persönlichkeiten in gesellschaftlicher und politischer Verantwortung gebeten, den Entwurf des Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zu kommentieren. Nach Elke Hannack, Christel Humme, Markus Kurth und Ulrich Schneider, meldet sich Johannes Ponader zu Wort. Johannes Ponader ist politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, Autor, Regisseur, Theaterpädagoge, Schauspieler und Muscial-Darsteller. Johannes Ponader und die Piratenpartei haben auch den Aufruf “Farbe bekennen – gegen entwürdigende Hartz IV Praxis und für berufliche Förderung” unterzeichnet.
Der Armutsbericht schlägt nicht nur in den Medien und in der Bevölkerung, sondern insbesondere auch in der Regierung hohe Wellen. Das ist kein Wunder, denn sein Inhalt ist brisant. Er ist brisant, weil er zeigt, dass wir in unserem Land ein unübersehbares Armutsproblem haben. Er ist brisant, weil er nachweist, dass die Finanzkrise nicht alle trifft, sondern die Reichsten in unserem Land auch in der Krise zu den Gewinnern gehören. Er ist brisant, weil er zugibt, dass die Bundesregierung darüber nachdenkt, Vermögen zu besteuern. So brisant, dass das FDP-geführte Wirtschaftsministerium seine Zustimmung zu dem Bericht glattweg verweigert hat.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in diesem Zusammenhang schnell klargestellt, dass es keine Vermögensabgaben geben soll. Wie diese unterschiedlichen Sichtweisen auf den selben Sachverhalt zustande kommen, bleibt offen. Ebenso offen bleibt, wie die Regierung der alarmierenden Entwicklung stattdessen begegnen möchte.
Der Armutsbericht zeigt deutlich, dass die heutigen Sicherungssysteme überholt sind und ihren Auftrag, Armut zu verhindern, nicht mehr zuverlässig erfüllen. Wir benötigen jedoch Strukturen, die Armut zuverlässig verhindern. Denn die Abschaffung der Armut gehört zu den vordringlichen Fragen einer Kulturgesellschaft. Eine Gesellschaft, die das nicht leisten kann, obwohl sie sich als kulturell weit fortgeschritten definiert und insgesamt durchaus vor wirtschaftlicher Kraft strotzt, versagt jeden Tag aufs Neue und braucht dringend Impulse, die sie aus ihrer sozialpolitischen Lethargie aufrütteln.
Die Forderungen der Piratenpartei zu sozialen Fragen werden von Parteitag zu Parteitag umfassender ausformuliert. Bereits genauer ausdefiniert sind die Forderung nach einem bedingungslosen Recht auf sichere Existenz und Teilhabe [1], das langfristig am einfachsten durch ein bedingungsloses Grundeinkommen umgesetzt wird [2], die Forderung nach sofortiger Abschaffung von Sanktionen im Sozialsystem [3], die Begrenzung der Leiharbeit [4], ein allgemeiner Mindestlohn und die Erhöhung der Regelsätze [5]. Vor allem die bereits bestehende Forderung nach einer allgemeinen bedingungslosen Existenzsicherung, die zum Beispiel durch ein bedingungsloses Grundeinkommen eingelöst wird, würde Armut in allen Lebenssituationen sofort effektiv verhindern. Kinderarmut, Armut in herausfordernden sozialen Lebenslagen, „Arm trotz Arbeit“ sowie Altersarmut gehören damit endgültig der Vergangenheit an. Gleichzeitig wird die Wirtschaft stärker und selbstorganisiert stimuliert, indem Menschen abgesichert Neues wagen und sich und anderen damit neue Chancen eröffnen können.
Im Licht solcher politischen Vorschläge macht der Armutsbericht die Bundesregierung, die ihre Lösungen so gerne als alternativlos darstellt, natürlich erst recht nervös.
Eine effektive Armutsbekämpfung findet nämlich am einfachsten in einem gesunden wirtschaftlichen Umfeld statt, das den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Ein solches Umfeld wird jedoch nicht erzeugt, indem der Staat oder wenige Wirtschaftsakteure in bevormundender Weise vorgeben, was gut und wichtig ist, welche Tätigkeiten angemessen vergütet werden und welche nicht. Eine effektive Armutsbekämpfung braucht den einzelnen Menschen, der für sich allein oder im Rahmen seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeit abgesichert in seinem selbstverantwortlichen Handeln gestärkt wird.
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