Auch Laschet (CDU) blendet die entscheidende Regel der Eurozone aus

Wirtschaft und Gesellschaft hat wiederholt (1) darauf aufmerksam gemacht, dass Politiker Partei übergreifend die zentrale Regel einer Währungsunion, das vereinbarte Inflationsziel nicht zu unterschreiten und nicht zu überschreiten, ausblenden. Geschieht dies in einem Interview, gehören dazu immer zwei: Der Gefragte und der Moderator. Gestern wurde Armin Laschet, CDU-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, im Deutschlandfunk interviewt. Seine folgende Aussage wurde vom Moderator Jürgen Zurheide nicht in Frage gestellt:

“Aber in Spanien und Portugal und Irland ohnehin sind die Länder auf einem guten Wege, nachdem gemeinsam verabredete Regeln eingehalten werden. Und hätte man so etwas früher gehabt, wäre vielleicht manches in dieser Krise uns erspart geblieben. Und das müssen wir jetzt auf politischer Ebene in der Europäischen Union gemeinsam institutionell auch verankern.“

Laschet erwähnt mit keinem Wort, dass Deutchland das Inflationsziel seit Bestehen der Währungsunion fortlaufend unterschritten und damit Wettbewerbsvorteile aufgebaut hat. Das Inflationsziel aber ist vertraglich vereinbart.

Deutschland hat EU-Vertrag von Beginn an gebrochen.

Preisentwicklung in Deutschland 1960 bis 2013 (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Wenn Laschet über “Wettbewerbsverzerrungen” redet, meint er etwas ganz anderes; er begreift diese nicht als gesamtwirtschaftliches Phänomen, sondern stellt entweder auf einzelbetriebliche Faktoren, wie die Monopolbildung oder Oligopolbildung ab, die Marktmacht eines einzelenen Unternehmens bei Microsoft zum Beispiel, oder aber, wie sollte es anders sein, auf den Staatshaushalt:

“Der Wettbewerbskommissar, der darauf achten muss, dass der Binnenmarkt garantiert wird, der gegen Wettbewerbsverzerrungen sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch außerhalb – wenn Sie beispielsweise an die großen Konflikte mit Microsoft denken -, der da als Institution eingreifen kann, so wie das früher bei uns das Bundeskartellamt konnte, und der auch solche Fusionen verbieten kann. In dieser Stärke stelle ich mir einen Währungskommissar vor, der zunächst als unabhängige Institution einem Land sagen kann: Hier lauft ihr völlig gegen alle Regeln, und wir schicken den Haushalt zu euch zurück, und ihr habt selbst die Chance, euch zu korrigieren.“

Während die Krisenländer nun schon über Jahre, wenn auch ohne Erfolg, gezwungen werden, über Ausgabenkürzungen – Massenentlassungen, Privatisierungen und direkte Lohnsenkungen – diese Kluft in der Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen, die in der Vergangenheit zwar auch, aber eben nicht nur, durch das Überschreiten des Inflationsziels dort zustande gekommen ist, macht Deutschland weiter wie bisher, denkt also nicht daran, seinerseits über eine entsprechende Gesetzgebung – Rücknahme der Arbeitsmarkt-”Reformen” und der ihr folgenden Lohndynamik nach unten, Erhöhung der Staatsquote zum Beispiel – mit für Ausgleich zu sorgen. Auch in diesem Fall hakt der Moderator nicht nach. Leider ein journalistischer Evergreen der Eurokrise.

Laschet lässt dann auch gar keinen Zweifel daran, dass er nicht in Deutschland, sondern in Griechenland Reformbedarf sieht:

“Laschet: Nein, es wird noch sehr viel Spielraum zum Sparen bleiben, und ehe ein solcher Kommissar eingreift, muss auch schon viel passieren. Nur wenn Sie mal zurückdenken: Hätten wir vor drei, vier, fünf, sechs, sieben Jahren eine solche Institution gehabt, hätte man Griechenland wahrscheinlich vor manchem bewahren können, und die Reformen, die man dann eingeleitet hat, hätten vielleicht schon viel früher gewirkt.“

Dafür, dass Laschet die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, die sich durch das Auseinanderlaufen der nationalen Inflationsraten ergeben, nicht sieht oder nicht sehen will, wenn er über Regeln der Eurozone redet, spricht auch diese Aussage von ihm, in der er einzig auf eine Fiskalunion, also die Staatshaushalte, abstellt:

“Ja, das, glaube ich, ist auch richtig, wir brauchen keine neuen Regeln, sondern wir brauchen Institutionen, die so etwas rechtzeitig durchsetzen können. Und das bedeutet mehr Europa, die Kommissionen hier stärken, das, was man in Maastricht nicht geschafft hat, jetzt zu vollenden, nämlich eine Fiskalunion, wo in diesen Kernfragen der Währung Europa zusammenarbeitet. Und nur so können wir auch in einer globalen Welt unsere Währung verteidigen, und das ist ja das Hauptziel.“

Vielleicht ist sich Laschet durchaus über die Folgen seiner politischen Auffassung bewusst, wenn er meint, dass man für entsprechende Beschlüsse zur Durchsetzung eines noch strikteren Haushaltsregimes auf Eurozonen-Ebene eine Volksabstimmung nicht “braucht”:

“Laschet: Den Währungskommissar zu stärken, dazu brauchen Sie keine Volksabstimmung, um eine europäische Verfassung zu machen – wir waren ja einmal knapp davor, vor einigen Jahren – brauchen Sie auch keine Volksabstimmung, denn es wird einfach nur geklärt, was macht Europa und was macht in Zukunft auch noch der Mitgliedsstaat, wie kriegen wir Europa demokratisch organisiert. Und dann wird die Frage sein, welche Kompetenzen werden da übertragen. Ob da am Ende eine Volksabstimmung nötig ist, das muss man juristisch überprüfen. Ich glaube, man kann heute Europa demokratischer machen, auch ohne eine Volksabstimmung.“

Dazu passt schließlich auch, dass er sich auf einen Mann wie Klaus Regling beruft:

“Wir haben gestern hier zu Gast gehabt auch Klaus Regling, den Vorsitzenden oder den geschäftsführenden Vorsitzenden des ESM, des neuen Stabilitätsmechanismus. Der weist nach, dass in allen Ländern im Süden Europas die Reformen zu wirken beginnen, dass die Entwicklung nach oben geht – mit Griechenland mal ein wenig als Ausnahme, weil es besonders viel zu tun hat.“

Regling aber verwechselt ebenfalls Ursache und Wirkung von Eurokrise, erzwungenen Ausgabenkürzungen und der humanen Katastrophe, die diese nach sich gezogen haben. Mit Reglings Position und seinem Hintergrund haben wir uns hier kritisch auseinandergesetzt:

Aktuelle Nachrichten und Hintergrund zur Eurokrise: Chef von Euro-Rettungsschirm verwechselt Ursache und Wirkung – und erweist sich als zynischer Vollzugsbeamter

(1)

Aktuelle Nachrichten und Hintergrund zu Steinbrück: Jüngste ökonomische Äußerungen bestätigen seine ökonomische Inkompetenz

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