Lohnentwicklung: Deutsches Lohndumping geht weiter, Lohngefälle nimmt weiter zu – neue detailliertere Datenbasis vom Statistischen Bundesamt (mit Berücksichtigung des heute erschienenen Herbstgutachtens)

Die neuesten Zahlen vom Statistischen Bundesamt zur Preisentwicklung  sind den Nachrichten des Deutschlandfunks eine Meldung wert – die unbefriedigende Lohnentwicklung nicht.

“Donnerstag, 11. Oktober 2012 09:00 Uhr

Deutschland: Inflationsrate im September bei 2,0 Prozent

Der Preisauftrieb in Deutschland hat sich im vergangenen Monat wieder leicht abgeschwächt. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, stiegen die Lebenshaltungskosten im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,0 Prozent. Im August hatte die Inflationsrate noch bei bei 2,1 Prozent gelegen. Mehr ausgeben mussten die Verbraucher vor allem für Energie.”

Damit fällt die wichtigere Nachricht unter den Tisch. Und das, obwohl das Statistische Bundesamt gerade erst seine Datenbasis für die Lohnentwicklung wesentlich erweitert hat. Das Statistische Bundesamt in seiner Pressemitteilung von heute früh:

“Real- und Nominallohnindizes bezogen sich bislang ausschließlich auf vollzeit­beschäftigte Arbeitnehmer/-innen. Die neuen Indizes berücksichtigen zusätzlich die Bruttomonatsverdienste der teilzeit- und geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer/-innen. Ab dem Jahr 2007 stehen für den Nominallohnindex nun zusätzlich Zeitreihen untergliedert nach dem Gebietsstand, dem Geschlecht und der Beschäftigungsart zur Verfügung. Ferner wird die Verdienstentwicklung nach Leistungsgruppen dargestellt, das heißt, sie wird getrennt für Arbeitnehmer/-innen in leitender Stellung, herausgehobene Fachkräfte, Fachkräfte, an- sowie ungelernte Arbeitnehmer/-innen veröffentlicht.”

Entwicklung der Reallöhne, Nominallöhne und Verbraucherpreise (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Das Ergebnis: Das Lohngefälle hat zwischen 2007 und 2011 weiter zugenommen – vor allem zu Lasten von so genannten Geringfügig Beschäftigten. Dazu das Statistische Bundesamt ausführlich:

“Nach den Angaben des neuen Nominallohnindex hat das Lohngefälle im Zeitraum 2007 bis 2011 zugenommen. Während die Bruttomonatsverdienste aller Arbeitnehmer in diesem Zeitraum um durchschnittlich 9,4 % stiegen, lagen die Verdienststeigerungen der Arbeitnehmer in leitender Stellung (+ 12,4 %) und der herausgehobenen Fachkräfte (+ 9,8 %) über dem Durchschnittswert. Fachkräfte (+ 8,3 %), angelernte Arbeitnehmer (+ 7,1 %) und ungelernte Arbeitnehmer (+ 8,0 %) konnten zwar auch die Steigerung der Verbraucherpreise kompensieren (+ 6,6 %), hatten aber nur unterdurchschnittlich hohe Wachstumsraten.

Ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer verdiente in Deutschland im zweiten Quartal 2012 ohne Sonderzahlungen durchschnittlich 3 385 Euro brutto im Monat. Die höchsten Durchschnittsverdienste erhielten die Beschäftigten in der Energieversorgung (4 507 Euro), bei Banken und Versicherungen (4 433 Euro) sowie im Bereich Information und Kommunikation (4 415 Euro). Der niedrigste durchschnittliche Bruttomonats­verdienst wurde im Gastgewerbe (2 002 Euro) gezahlt.”

Diese Nachricht ist gleich aus mehreren Gründen bedeutsamer als die Meldung über die Preisentwicklung, deren Veränderung gegen null tendiert:

Der inländische Konsum muss unter diesen Voraussetzungen schwach bleiben. Die Arbeitnehmerentgelte entsprechen rund 52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sind damit der wichtigste Nachfragefaktor für die Volkswirtschaft. Damit kann Deutschland auch für die Eurozone keine belebenden, die Konjunktur stützenden Impulse setzen. Im Gegenteil, die Lohnstückkostenentwicklung wird weiter Wettbewerbsdruck auf die anderen Eurostaaten ausüben. Laut des heute vorgestellten Herbstgutachtens sollen die Lohnstückkosten zwar in diesem Jahr um 2,8 Prozent steigen (2010: -1,5; 2011: 1,2), im nächsten Jahr aber bereits wieder nur um 1,8 Prozent; sie bewegen sich also erneut unter der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank. Eine Entwicklung, die nicht dazu geeignet ist, den über Jahre aufgebauten Wettbewerbsvorteil auszugleichen; vieles spricht dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone weiter auseinanderläuft. Das Herbstgutachten hält dann auch fest: “anregende Impulse kamen vor allem vom Außenhandel.” Und muss seine Prognose aufgrund einer schwachen Binnenkonjunktur korrigieren:

“Alles in allem trägt die inländische Verwendung nach der gegenwärtigen Prognose im Jahresdurchschnitt 2012 mit 0,2 Prozentpunkten nur wenig zum Anstieg des realen BIP bei, im Frühjahrsgutachten war hingegen mit einem Beitrag von 1,0 Prozentpunkten gerechnet worden.”

Gleichzeitig ist die Entwicklung des Außenhandels im Herbstgutachen überschrieben mit: “Vorerst Flaute im Außenhandel”. Schon jetzt haben viele Betriebe auf Kurzarbeit umgestellt. Die negativen Auswirkungen der Eurokrise auf Deutschland werden aller Voraussicht nach zunehmen, die Beschäftigung und mit ihr die Löhne weiter unter Druck geraten.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Prognose-Überschrift “Privater Konsum profitiert von günstigen Einkommensperspektiven” im selben Herbstgutachten als Zeugnis für die Lernresistenz der beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute. Dasselbe gilt auch für die Überschrift zur Preisentwicklung. Obwohl die Wirtschaftsforschungsinstitute für 2012/2013 von einem jeweiligen Anstieg der Preise von 2 Prozent/2,1 Prozent ausgehen, überschreiben sie ihr Kapitel mit: “Binnenwirtschaftlicher Preisauftrieb verstärkt sich” – was ja nur heißen kann, dass Deutschland zuvor bereits wieder das vertraglich vereinbarte Inflationsziel der europäischen Zentralbank von leicht unter zwei Prozent unterlaufen hat. Und in der Tat ist dann im Text auch nur von einem “moderaten Preisauftrieb” die Rede.

Es zeigt sich einmal mehr, dass die “führenden Wirtschaftsforschungsinstitute” Teil und nicht Lösung des Problems sind.

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