Schuldenschnitt lenkt von ursächlichen Problemen ab

Die einen wollen ihn offenbar, die anderen fürchten ihn. So berichten , dass die so genannte Troika einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland erwägt. Schäuble “fürchtet” diesen, ebenso wie der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Müller.

Die einen, die Troika, wollen damit Griechenland retten, die anderen, wie der Bundesfinanzminister und der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ziehen sich auf das Haushaltsrecht zurück, verweisen auf das schon gewährte Geld, dem man nicht auch noch neues Geld hinterher werfen dürfe, oder Investoren, die “verschreckt” würden und, natürlich, auf die Finanzmärkte.

Befürworter wie Gegner eines Schuldenschnitts lenken jedoch nur von den eigentlichen Problemen ab, die der Eurokrise zugrunde liegen; bei Griechenland kommt noch hinzu, dass die sich immer wieder aufs Neue einseitig auf Griechenland konzentrierende Diskussion in Politik und Medien in keinem Verhältnis zur Verantwortung Griechenlands für die Eurokrise steht; dafür ist allein das Gewicht des Landes in der Eurozone viel zu gering (Zwei mal Berlin = Griechenland).

Die ursächlichen Probleme werden dagegen sehr schnell sichtbar, wenn man sich die staatliche Neuverschuldung (ohne Zinsen und mit Zinsen) und die gesamte Neuverschuldung (Leistungsbilanzdefizit), private und staatliche also, vor Augen führt.

Griechenland: Staatliche und gesamte Neuverschuldung 2000 bis 2012 (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Zum einen wird deutlich, dass die staatliche Neuverschuldung (ohne Zinsen) mit zwei Mrd. Euro gering ausfällt, vergleicht man sie mit der gesamten Neuverschuldung, wie sie das Leistungsbilanzdefizit ausweist. Laut Prognose des Europäischen Amts für Statistik, Eurostat, wird sich erstere in diesem Jahr auf zwei Mrd. Euro belaufen, letztere aber auf elf Mrd. Euro.

Zum anderen zeigt die Graphik, dass die Zinsbelastung enorm hoch ist. Da die Anleihe-Zinsen auch die privaten Kreditzinsen mit bestimmen, belasten diese auch die private Wirtschaft. Der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister hat hierzu in einem ausführlichen Gespräch mit Wirtschaft und Gesellschaft unter anderem das folgende gesagt:

“Also, was würde ich konkret vorschlagen: Punkt eins, der Zinssatz muss mittelfristig unter der Wachstumsrate liegen, um Realinvestitionen rentabel zu machen. In Europa ist die Krise dadurch so verschärft worden, dass die Zinsen für Staatsanleihen immer mehr auseinandergelaufen sind. Das ist auch politisch Dynamit für die europäische Einigung. Daher fordere ich die Gründung eines europäischen Währungsfonds, der wie die Bundesfinanzagentur, aber auf Euroebene, die Finanzierung der Eurostaaten in die Hand nimmt, indem er – und hier gehe ich viel weiter als alle bisherigen Vorschläge – Eurobonds zu festen Zinssätzen unter der Wachstumsrate begibt. Das ist eine ganz klare, wenn auch radikale Maßnahme. Die Finanzierung der Staaten darf nicht mehr über den Markt erfolgen, weil der so genannte Markt erwiesenermaßen Zinssätze gebildet hat, die mit den Grundannahmen der Wirtschaftstheorie logisch nicht kompatibel sind. Es ist klar, dass ein Land wie Spanien oder Italien nicht sechs oder sieben Prozent Zinsen zahlen kann.”

Würden die Befürworter wie die Gegner eines Schuldenschnitts diese Entwicklungen diskutieren, kämen sie nicht drum herum, die eigentlichen Ursachen für die fortbestehende Eurokrise zu thematisieren: Das hohe Leistungsbilanzdefizit, die steigende Gesamtverschuldung also, ist Ausdruck der immer noch weit auseinander liegenden Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone. Über die drakonischen Ausgabenkürzungen auf griechischer Seite sind die hierfür relevanten Lohnstückkosten dort zwar gesunken; vor allem wegen des hierüber ausgelösten binnenwirtschaftlichen Verfalls und der damit einhergehenden, sinkenden Importnachfrage, hat sich auch das Leistungsbilanzdefizit reduziert; die Differenz in der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere zu Deutschland, aber ist immer noch riesig; Deutschland aber weigert sich dies überhaupt anzuerkennen und seinerseits entsprechende Schritte zum Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit zu gehen. Heiner Flassbeck, Chefökonom der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf, hat gerade vor wenigen Tagen erst in einem Gastkommentar hierauf aufmerksam gemacht.

Die hohe Zinsbelastung wiederum ist Ausdruck der immer noch nicht gelösten gemeinsamen Absicherung der Schulden durch Eurobonds. Auch hier ist Deutschland der Hauptbremser einer sinnvollen, die Staaten und Volkswirtschaften entlastenden Lösung. Nicht zu letzt zeigt der verpuffte erste Schuldenschnitt Griechenlands, dass ein solcher die zugrundeliegende Ursachen für einen erneuten Schuldenanstieg nicht überwindet, sondern nur von den ursächlichen Problemen – die weiter auseinander laufende Wettbewerbsfähigkeit und die hohe Zinsbelastung – ablenkt.

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