Wirtschaft und Gesellschaft hat gestern eine Meldung zum Berliner SPD-Landesparteitag herausgegeben. Die Stimme Ursula Engelen-Kefers, gestern als langjähriges SPD-Mitglied geehrt, setzte in der zentralen Frage der Rentenpolitik ein klares Zeichen: Die Verhinderung der Absenkung des weiteren Absinkens des Rentenniveaus könne nur ein erster Schritt sein, rief die ehemalige DGB-Vize-Vorsitzende den Delegierten in ihrer spontanen Rede zu.
In diesem einen Satz stecken gleich zwei wesentliche Sachverhalte: Dem zukünftigen Absinken des Rentenniveaus gingen bereits Absenkungen voraus; und die Verhinderung des weiteren Absinkens des Rentenniveaus – zentrale Forderung des gestern im Mittelpunkt des Landesparteitags stehenden Leitantrags zur Rente – kann nur ein erster Schritt sein, ist also angesichts der von Wissenschaftlern wie Eric Seils erst jüngst festgestellten, schon in den vergangenen Jahren gestiegenen Altersarmut, den vorangegangenen Absenkungen des Rentenniveaus und angesichts deutlich höherer Rentenniveaus in den Nachbarländern eine doch recht bescheidene Forderung.
Man hätte sich mehr solcher kritischen, problemorientierten Redebeiträge gewünscht, zumal die Hauptredner, im Gegensatz zu Ursula Engelen-Kefer, nun wirklich viel Zeit und Raum dafür hatten. Indes: Davon war nichts zu hören. Wir dokumentieren hierzu einige , die jeden Leser und erst Recht jeden Sozialdemokraten zum Nachdenken bewegen sollten.
Kein Wort, zumindest kein Twitter zum BER, zu steigenden Mieten…Dass das kein Zufall ist, sondern gewissermaßen Methode, zeigt auch die eigens zum 150. Landesparteitag herausgegebene Sonderausgabe der Berliner Stimme, die Abonnements Zeitung der Berliner SPD. Siehe dazu kritisch auch hier: Das kommt dabei heraus, wenn man keine Politik macht.
Was soll man zu der oben stehende Aussage noch sagen, angesichts der Agenda 2010, Geburtsstunde mit auch für Die Linke, angesichts der unter rot-grün entwickelten und durchgesetzten Renten”reformen”, die überhaupt erst die eben auf diesem Landesparteitag thematisierte Altersarmut und die Absenkung des Rentenniveaus im heutigen Ausmaß verursacht haben und und und…
Auf die oben stehende Aussage können wir dann nach der Bundestagswahl 2013 zurückblicken. Twitter muss ja nicht nur als schnelles und schnellebiges Medium dienen; man kann es auch als Dokumentationsinstrument kultivieren und aufwerten.
Nach dem Landesvorsitzenden der Berliner SPD, Jan Stöß, kam Olaf Scholz zu Wort, bekannt geworden – vielleicht aber schon wieder vergessen – als Scholzomat bzw. “Schröders treuer General”. Der NDR berichtet über ihn im Februar 2011:
“Er galt als Organisationstalent und Strippenzieher, aber es gab auch andere Stimmen. Kritiker warfen Scholz damals vor, er habe kaum Charisma und keinen Kontakt zur Basis. Seine Rhetorik sei monoton. Der Spitzname “Scholzomat” entstand, weil er sich öffentlich zwar geschliffen, aber oft wenig inhaltsreich zu äußern pflegte. Das Nachrichtenmagazin “Spiegel” bezeichnete Scholz als “Erfüllungsgehilfen des Kanzlers”, weil er im Streit um die “Agenda 2010″ treu an der Seite von Gerhard Schröder stand. Als Schröder 2004 den Parteivorsitz abgab, trat auch Olaf Scholz vom Amt des Generalsekretärs zurück.
Ein Jahr später gelang ihm ein Comeback auf Bundesebene als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. 2007 erbte Scholz dann von seinem Förderer Franz Müntefering (SPD) das Amt des Bundesarbeitsministers. Vor den Bundestagswahlen 2009 war er im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier weiter als Minister vorgesehen, doch dann löste die schwarz-gelbe Koalition die Regierung ab.”
Welche “schlechte politische Regierungstätigkeit” Olaf Scholz wohl meint, wie im Twitter unten wiedergegeben.
Fazit: SPD-Spitzenfunktionäre haben erneut, diesmal auf Landesebene, eindrucksvoll bewiesen, dass ihnen eine kritische Parteibasis – und natürlich ein kritischer Jounalismus – wohl noch eine Weile gehörig auf die Füße treten müssen, damit sich die SPD wieder zu einer glaubwürdigen, alternativen Kraft entwickeln kann.
Weitere Lesetipps hierzu:
„Ich glaube der demokratische Lack ist relativ dünn“ – Im Gespräch mit Jürgen Kuttner
„Schröder fand Gefolgsleute auch in den Gewerkschaften“ – Im Gespräch mit Ursula Engelen-Kefer
Wieder hervorgeholt: In welcher Radikalität der so genannte Sachverständigenrat 1999 dem Sozialabbau das Wort sprach
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