Aktuelle Nachrichten und Hintergrund: Merkel will mit dem Thema “gerechte Löhne” in den Wahlkampf ziehen – weiß aber – wie die SPD – anscheinend nicht, was das bedeutet

Der Deutschlandfunk meldet soeben:

“Samstag, 10. November 2012 16:00 Uhr

Merkel will mit dem Thema “gerechte Löhne” in den Wahlkampf ziehen

Bundeskanzlerin Merkel will gegen Dumpinglöhne vorgehen. Die CDU werde Regelungen für gerechte Löhne zum Thema im Bundestagswahlkampf 2013 machen, sagte Frauz Merkel beim Landesparteitag der Thüringer Christdemokraten in Seebach. Es dürfe nicht sein, dass Menschen trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen seien. Frau Merkel nannte es bedauerlich, dass die FDP sich immer noch weigere, branchenbezogene Lohnuntergrenzen einzuführen. – Bei dem Parteitag wurde Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht als CDU-Landeschefin im Amt bestätigt.”

Wer aber “gerechte Löhne” verwirklichen möchte, kann dies schwerlich allein daran festmachen, dass Menschen trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen sind – zumal die Bundeskanzlerin für eben jene Entwicklung Verantwortung trägt, da sie für die entsprechenden Arbeitsmarktreformen gestimmt hat bzw. diese in ihrer nunmehr seit 2005 währenden Kanzlerschaft, in der sie bekanntlich die Richtlinien der Politik bestimmen durfte, nicht zurückgenommen hat – allen voran Hartz IV. Und auch das Mittel, Lohnuntergrenzen einzuführen, kann, ebenso wie der Mindestlohn, jene mit den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 und danach verbundenen Ungerechtigkeiten abfedern, nicht aber ursächlich beseitigen.

Wie aber definiert sich nun ein “gerechter” bzw. “ungerechter” Lohn? Volkswirtschaftlich ist dies sehr einfach und klar: Ein gerechter Lohn ist dann gegeben, wenn sich die Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigtem entsprechend der Produktivität (kostenneutral) plus der Zielinflation bzw. der aktuellen Preissteigerungsrate (verteilungsneutral) entwickeln. Die Produktivität kann dabei je Beschäftigtem oder je Arbeitsstunde gemessen werden; die aktuelle Preissteigerungsrate mit dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex oder dem Deflator des Bruttoinlandsprodukts (BIP), bzw. ist das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank heranzuziehen.

Die folgenden beiden Graphiken zeigen, inwieweit bzw. ob die tatsächliche Lohnentwicklung in Deutschland kosten- und verteilungsneutral war.

Kostenneutrale Lohnentwicklung in Deutschland? (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Verteilungsneutrale Lohnentwicklung in Deutschland? (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Der in den Graphiken abgebildete Verlauf zeigt, dass die Lohnentwicklung in Deutschland seit der Jahrtausendwende zumeist bzw. fast den gesamten Zeitraum deutlich hinter dem kostenneutralen und verteilungsneutralen Spielraum zurückgeblieben ist. Die großen Unterschiede in der Lohnentwicklung, die die in diesem Zeitraum ebenfalls verzeichnete zunehmende Einkommenskonzentration mit sich gebracht hat, werden hier wiederum gar nicht unmittelbar sichtbar.

Um diese in hohem Maße ungerechte Lohnentwicklung zu korrigieren, bedarf es weit mehr als eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50, wie ihn der DGB und die SPD fordern, bzw. weit mehr als die von Merkel anvisierten Lohnuntergrenzen. Eine Korrektur erfordert zuallererst eine kritische Revision der Arbeitsmarkt-”Reformen” seit der Agenda 2010, die den Druck auf die Arbeitnehmer, jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen, massiv erhöht und die Gewerkschaften massiv geschwächt haben.

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