Jetzt schleicht sich die Einsicht, dass sich die Eurokrise auch auf die deutsche Konjunktur niederschlägt, langsam auch in die Nachrichten der so genannten Leitmedien. Der Deutschlandfunk meldet dazu heute Vormittag entsprechend – und gibt ein sehr unvollständiges Bild der Konjunktur wider (Hervorhebung Wirtschaft und Gesellschaft):
“Freitag, 23. November 2012 10:00 Uhr
Deutsche Wirtschaft wächst nur noch minimal
Die Euro-Schuldenkrise wirkt sich zunehmend auf die Konjunktur in Deutschland aus. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, stieg das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal nur noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Zum Wachstum trugen vor allem der Export und der starke Konsum im Inland bei. In den letzten drei Monaten des Jahres erwarten Experten bestenfalls eine Stagnation. – In der gesamten Euro-Zone schrumpfte die Wirtschaft zwischen Juli und September um 0,1 Prozent.”
So begrüßenswert der erste Satz der Meldung ist, weil er auf eine längst bestehende Gefahr hinweist, so unvollständig ist die Rede von einem starken Wachstumsbeitrag des Konsums. Unvollständig deswegen, weil sie nur im Vergleich zum Vorquartal durch die Daten gedeckt ist, nicht aber durch den in derselben Meldung des Statistischen Bundesamtes, auf die sich der Deutschlandfunk bezieht, ausführlich dargelegten Vorjahresvergleich.
Die Meldung des Statistischen Bundesamtes liest sich dann auch anders – auch wenn die dort gewählte euphorische Einleitung so gar nicht zu den Daten und einem in der Regel nüchtern daherkommenden Statistikamt passen will, die da heißt: “Die deutsche Wirtschaft trotzt der europäischen Rezession…”
Selbst zum Vergleich mit dem Vorquartal spricht das Statistische Bundesamt nicht von einem starken Konsum im Inland, sondern stellt fest:
“Positive Impulse kamen im Vorquartalsvergleich (preis-, saison- und kalenderbereinigt) aus dem Ausland: Im dritten Quartal 2012 wurden 1,4 % mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als im zweiten Quartal. Im selben Zeitraum stiegen die Importe mit + 1,0 % etwas weniger stark. Dadurch stützte der Außenbeitrag – also die Differenz aus Exporten und Importen – das Bruttoinlandsprodukt mit einem rechnerischen Wachstumsbeitrag von 0,3 %-Punkten.”
Über die Entwicklung im Inland schreibt das Statistische Bundesamt:
“Aus dem Inland kamen unterschiedliche Signale: Sowohl die privaten Haushalte (+ 0,3 %) als auch der Staat (+ 0,4 %) konsumierten mehr als im Vorquartal. Außerdem wurde mehr in Bauten investiert (+ 1,5 %). Dagegen sind Investitionen in Ausrüstungen – darunter fallen hauptsächlich Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge – seit mittlerweile einem Jahr rückläufig, im Berichtsquartal gingen sie um 2,0 % zurück. Daneben fand ein Vorratsabbau statt, der das Wirtschaftswachstum ebenfalls dämpfte (– 0,3 %-Punkte).”
Und das, obwohl der Wachstumsbeitrag des Konsums im Vergleich zum Vorquartal gleichauf mit dem des Außenbeitrags liegt.
Der Vergleich zum Vorjahr fällt dann auch deutlich negativer aus. Der Wachstumsbeitrag der Konsumausgaben zum preisbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) in %-Punkten gegenüber Vorjahr betrug laut Statistischem Bundesamt gerade einmal 0,1 Prozent. Der Wachstumsbeitrag der privaten Konsumausgaben war sogar negativ (-0,1%). Negativ waren auch die Bruttoanlageinvestitionen (-0,5%) genauso wie die inländische Verwendung insgesamt (-1%). Erwähnenswerte Wachstumsimpulse kamen in der Tat nur vom Außenhandelsüberschuss (1,4%).
Dass die normalen, vom Zuhörer als besonders neutral angesehenen Nachrichten, so unvollständig berichten und damit eine Entwicklung suggerieren, die von einem starken Konsum getragen ist, ohne dass die Quelle, das Statistische Bundesamt, dies entsprechend stützt, sondern im Vorjahresvergleich vielmehr das glatte Gegenteil anzeigt, ist schon ein grobe Fahrlässigkeit. Aber, wir machen schließlich alle Fehler, die korrigiert werden wollen.
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