“Bloß keinen Krieg mehr, lieber hungern.” Das sagte mir eine alte Frau, irgendwo im Osten Deutschlands, 2010, auf meinen Wanderungen durch die Bundesländer. Sie erzählte mir, wie sie als vierzehnjähriges Mädchen fliehen musste, barfuß über Wiesen rannte, vergewaltigt wurde – und in ihrer Erzählung wiederholte sie immer wieder diesen Satz: “Bloß keinen Krieg mehr, lieber hungern.”
Ich habe daraus ein Lied gemacht: Bloß nie wieder Krieg
Ich denke, es passt zum heutigen Tag – und zu der grassierenden Gewalt, die immer noch als Lösung für Konflikte angesehen wird, nicht allein in den Krisenregionen weltweit, wo Kriege geführt werden, nicht allein im Alltag, in dem Konflikte auch häufig genug mit Macht ausgetragen oder unterdrückt werden, den Menschen physische und seelische Gewalt angetan wird, auch im Deutschen Bundestag, wo Abgeordnete, die zum heutige Volkstrauertag vielleicht wieder gesalbte Reden halten, für Rüstungsexporte stimmen und damit Kriege erst möglich machen, oder schnell, allzu schnell dabei sind, für den Krieg als Möglichkeit der Konfliktlösung zu stimmen. Das Abstimmungsverhalten ist dabei teils für einige möglicherweise überraschend: Während als konservativ geltende Bundestagsabgeordnete wie Peter Gauweiler (CSU) oder Wolfgang Börnsen (CDU) gegen die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan stimmten, stimmten als links geltende Sozialdemokraten wie Ottmar Schreiner dafür, andere, wie Hilde Mattheis, Klaus Barthel, Werner Schieder, Rüdiger Veit, stimmten jedoch dagegen; insgesamt jedoch nur 18 von 137 anwesenden SPD-Abgeordneten; bei Bündnis 90/Die Grünen waren es 19 von 59 anwesenden Abgeordneten; bei CDU/CSU waren es nur 3 von 220 anwesenden Abgeordneten; interessant auch, wie viele Abgeordnete sich bei einer solchen Gewissensentscheidung “enthalten” (vgl. Endgültiges Ergebnis der Namentlichen Abstimmung Nr. 1 über die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan vom 26. Januar 2012). Hierzu zwei Zitate des Pazifisten Erich Maria Remarque:
“Ursprünglich waren sie keine Feinde; erst als sie Waffen bekamen…mir dämmerte, dass es die Waffen waren, die uns den Krieg aufzwangen. Es gab so viele Waffen in der Welt, dass sie am Ende die Oberhand über die Menschen gewannen und sie in Feinde verwandelten…Und zum ersten Mal begriff ich, dass ich gegen Menschen kämpfte; Menschen, die wie wir von starken Worten und Waffen verhext waren; Menschen, die Frauen und Kinder, Eltern und Beruf hatten und die vielleicht – wenn mir die Eingebung durch sie gekommen war – doch jetzt auch wach werden und sich genauso umschauen und fragen mussten: ´Brüder, was tun wir denn da? Was soll das?” (Erich Maria Remarque, Der Feind, 1930)
““Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hineingehen müssen, die nicht ganz vorne stehen.“ (Erich Maria Remarque, in einem Interview mit Friedrich Luft, in: Ein militanter Pazifist)
Im Sinne Remarques hat im Juni 2009 der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer in einem Spiegel-Streitgespräch mit dem damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden und Afghanistan-Kriegsbefürworter Peter Struck gefordert:
„Außerdem sollte jeder Abgeordnete, der für den Krieg stimmt, vier Wochen mit an die Front. Die sollten einmal in einem Schützenpanzer die Gefahr spüren, die sie unseren Soldaten und den Afghanen zumuten. Die Zahl der Kriege würde dramatisch sinken.“
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